Vor zehn Jahren kam Hedi allein aus Tunesien nach Deutschland. Ohne Sprachkenntnisse, ohne Netzwerk – aber mit dem festen Willen, etwas aus seinem Leben zu machen. Heute ist er Gründer von Quickshift, einer App, die Jobsuchende mit Arbeitgebern vernetzt – schnell, unkompliziert und ohne bürokratische Hürden. Im Interview spricht Hedi über seine bewegende Reise, die Idee hinter Quickshift und die Herausforderungen, die er auf dem Weg zur eigenen App gemeistert hat.
Hedi, du bist vor zehn Jahren alleine aus Tunesien nach Deutschland gekommen. Heute hast du ein Startup gegründet. Was waren auf diesem Weg deine größten persönlichen Hürden – und was hat dich durchhalten lassen?
Ich bin auf meinem Weg durch viele Herausforderungen gegangen. Zu Beginn hatte ich während meines Studiums nicht genug Geld, was dazu führte, dass ich mehrere Jobs gleichzeitig machen musste und dadurch viele Vorlesungen verpasst habe. Der ständige Wechsel von Job zu Job, bis ich schließlich meine erste Werkstudentenstelle, dann ein Praktikum und später eine weitere Werkstudentenstelle im IT-Bereich gefunden habe, war nicht einfach.
Jede neue Stufe hat viel persönliche Arbeit, einen klaren Lernweg und viele kleine Kämpfe und Erfolge erfordert. Die Reise – von der Ankunft in Deutschland ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, bis hin zur Arbeit als IT-Consultant bei einem der besten IT-Beratungsunternehmen weltweit und der Gründung meines eigenen Startups – war definitiv nicht ohne Schwierigkeiten. Aber genau diese Erfahrungen haben mich geprägt und vorangebracht.
Du hast während deines Studiums zahlreiche Nebenjobs gemacht – vom Spüler bis zum Umzugshelfer. Wie sehr haben dich diese Erfahrungen geprägt und zur Idee von Quickshift inspiriert?
Es war extrem schwer, meinen ersten Job zu finden. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich anfangen sollte. Ich bin tagelang von Laden zu Laden gelaufen – unter finanziellem Druck, was alles andere als angenehm war. Gleichzeitig übers Internet zu bewerben, ohne zu wissen, ob man überhaupt eine Antwort bekommt, hat mich psychisch belastet.
Damals dachte ich mir:
Ich wünschte, es gäbe eine App, die mich ganz direkt mit Arbeitgebern verbindet, die gerade in meiner Nähe nach Personal suchen. Und genau das ist die Idee hinter Quickshift: Eine App mit einem benutzerfreundlichen, leistungsstarken Filtersystem, die Jobsuchenden ermöglicht, schnell passende Jobs zu finden und mit minimalem Aufwand eine Probearbeit anzufragen. Gleichzeitig werden Arbeitgeber durch ein Bewertungssystem dazu angehalten, zeitnah auf Bewerbungen zu reagieren. Und das System funktioniert in beide Richtungen: Auch Jobsuchende müssen zu ihrer Probearbeit erscheinen, um keine negativen Bewertungen zu riskieren.
Jensen Huang sagt oft: „I wish you a lot of suffering.“ – Viele könnten das vielleicht seltsam finden, aber ich habe auf die harte Tour gelernt, dass genau dieser steinige Weg den Charakter formt und einem Durchhaltevermögen und Entschlossenheit beibringt. In gewisser Weise ist die Gründung von Quickshift nichts anderes als das, was ich damals getan habe, um als Student zu überleben: Beides erfordert enorm viel Resilienz, Selbstdisziplin und Geduld.
Viele Bewerbungsprozesse sind heute noch bürokratisch und frustrierend – was macht Quickshift hier anders?
Quickshift macht Schluss mit bürokratischen und frustrierenden Bewerbungsprozessen – sowohl für Jobsuchende als auch für Arbeitgeber.
Jobsuchende erstellen einmalig ein Profil, laden ein Foto hoch, tragen bei Bedarf Erfahrungen, Ausbildung und optional einen Lebenslauf ein. Danach können sie offene Stellen in ihrer Umgebung entdecken – inklusive Entfernung – und mithilfe eines ausgefeilten Filtersystems gezielt nach Jobtyp (Minijob, Werkstudent, Nebenjob, Vollzeit etc.), Branche und weiteren Kriterien suchen.
Mit nur einem Klick auf „Bewerben“ wird ein Chat mit dem Arbeitgeber gestartet, in dem sich beide Parteien innerhalb eines bestimmten Zeitfensters auf ein Probearbeiten oder Gespräch einigen müssen – sonst wird die Bewerbung automatisch storniert.
Für Arbeitgeber ist das Inserieren eines Jobangebots in weniger als zwei Minuten erledigt. Sie können Bewerber*innen in ihrer Nähe entdecken, gezielt nach passenden Profilen filtern und auf Bewerbungen reagieren – etwa durch eine Einladung zum Probearbeiten oder einem Kennenlerngespräch.
Zudem sorgt ein integriertes Bewertungssystem dafür, dass Menschen, die wiederholt Termine nicht wahrnehmen, markiert werden – und schützt damit beide Seiten vor Missbrauch.
Was war die größte technische oder strategische Herausforderung bei der Entwicklung deiner App?
Um ehrlich zu sein: Der Weg war voller technischer und strategischer Herausforderungen. Aber die größte Herausforderung ist aktuell, Menschen davon zu überzeugen, ihr Verhalten zu ändern – und genau da stehe ich gerade.
Vor allem in der aktuellen Phase, in der ich noch keine Social Proof vorweisen kann, ist es schwierig, die ersten Unternehmerinnen zu überzeugen, ihre Jobangebote auf der App zu veröffentlichen. Die Hürde, etwas Neues auszuprobieren, ist groß. Neu bedeutet für viele erst einmal Unsicherheit, Aufwand und Zeit. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Ich habe die App aus der Perspektive der Nutzerinnen entwickelt – mit dem Ziel, sie so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Ich habe wirklich versucht, alles so einfach und intuitiv umzusetzen, wie es einer allein eben umsetzen kann.
Ich hoffe sehr, dass ich genügend Menschen überzeugen kann, damit sie den Mehrwert dieser App selbst erleben – und mit ihrer Nutzung auch anderen den Einstieg erleichtern.
Quickshift verzichtet bewusst auf klassische Bewerbungen und setzt auf Probearbeit – wie kommt dieses Konzept bei Arbeitgeber:innen und Jobsuchenden an?
Da sich Quickshift noch in der Anfangsphase befindet, habe ich aktuell noch nicht genug Daten, um das abschließend beurteilen zu können.
Allerdings ist das Konzept der Probearbeit in Deutschland sehr bekannt und weit verbreitet – deshalb sehe ich keinen Grund, warum das für Arbeitgeber*innen oder Jobsuchende ein Problem darstellen sollte. Im Gegenteil: Ein klar definiertes Ziel im Kommunikationsprozess macht alles deutlich einfacher und strukturierter.
Beide Seiten wissen sofort, worauf es hinausläuft – nämlich eine Probearbeit zu vereinbaren, um gemeinsam zu testen, ob eine Zusammenarbeit passt. Wenn ja – umso besser. Wenn nicht, hat man zumindest keine Zeit mit einem langen, bürokratischen Bewerbungsverfahren verschwendet.
Welche Branchen nutzt Quickshift aktuell am stärksten – und welche möchtest du noch stärker ansprechen?
Die Vision von Quickshift ist es, Jobsuchenden aller Art dabei zu helfen, passende Jobs in allen Formen zu finden. Aktuell liegt mein Fokus noch stärker auf Studierenden, um sie mit Minijobs und Nebenjobs zu verbinden.
Trotzdem können Arbeitgeber*innen schon jetzt auch Vollzeitstellen, Praktika, Saisonjobs und andere Beschäftigungsformen über die App ausschreiben.
Langfristig möchte ich die Möglichkeiten deutlich erweitern. Besonders das Thema Schichtarbeit soll deutlich einfacher werden – zum Beispiel, indem man sich als Servicekraft einfach für einen einzelnen Event-Shift einbuchen kann und direkt nach dem Einsatz bezahlt wird. Das wäre besonders attraktiv für Menschen, die nicht an einem festen Vertrag interessiert sind.
Gleichzeitig möchte ich Studierenden gezielt dabei helfen, passende Werkstudentenstellen und Praktika in ihrem Fachbereich zu finden – und so eine echte Brücke zwischen Studium und Arbeitswelt schlagen.
Ihr testet die App derzeit in Passau – welche Learnings habt ihr bisher gesammelt, und wie haben erste Nutzer:innen reagiert?
Nach einem Monat intensiver Tests kann ich definitiv sagen: Das sogenannte Cold Start Problem, mit dem viele Plattformen zu kämpfen haben, ist real – und ehrlich gesagt auch beängstigend.
Arbeitgeber*innen möchten sich nicht registrieren, wenn es keine Jobsuchenden gibt. Gleichzeitig wollen sich Jobsuchende nicht anmelden, wenn es keine Jobangebote gibt. Ein klassisches Henne-Ei-Problem.
Die zentrale Frage ist also: Wie löst man das?
Was ich bisher gelernt habe: Es ist entscheidend, sich zunächst auf die Marktseite zu konzentrieren, die den größeren Bedarf hat – also auf die Seite, die das Problem am deutlichsten spürt. Wenn es gelingt, diese Seite auf die Plattform zu bringen, wird die andere Seite automatisch folgen, weil der Nutzen sofort klar wird.
Die nächste Frage ist: Wie schafft man das?
Aus meiner Sicht: Indem man das Bedürfnis dieser Seite erkennt – oder sogar simuliert. In unserem Fall bedeutet das, für ausreichend Angebot zu sorgen, um Nachfrage auszulösen.
Wird das Angebot langfristig kostenpflichtig für Betriebe? Was ist dein Plan für die Monetarisierung?
Langfristig möchte ich ein Freemium-Modell einführen. Dabei soll es auch Premium-Funktionen geben – zum Beispiel die Möglichkeit, Jobangebote hervorzuheben oder gezielt zu boosten, um mehr Sichtbarkeit zu bekommen.
Grundsätzlich sollen Betriebe weiterhin kostenlos Jobangebote posten können – allerdings mit gewissen Einschränkungen. Für kleinere Unternehmen ist das meist kein Problem, da sie nur gelegentlich Personal suchen.
Größere Betriebe mit einem regelmäßigen Personalbedarf sollen für die uneingeschränkte Nutzung der Plattform – also ohne Limitierungen und mit Zugriff auf Premium-Funktionen – eine Gebühr zahlen.
So bleibt Quickshift für alle zugänglich, und wer mehr Leistung braucht, zahlt entsprechend für den Mehrwert.
Du hast Wirtschaftsinformatik studiert und als Softwareentwickler gearbeitet – wie wichtig war dein technisches Know-how für den Aufbau von Quickshift?
Mein technisches Know-how hat definitiv eine große Rolle beim Aufbau von Quickshift gespielt. Ich musste regelmäßig über meine eigenen Grenzen hinausgehen und gleichzeitig in viele verschiedene Rollen schlüpfen – vom UX-Designer über Frontend- und Backend-Entwickler, DevOps Engineer bis hin zum Architekten.
Ein grundlegendes Verständnis für all diese Bereiche zu haben, hat mir dabei sehr geholfen. Gleichzeitig habe ich während der Entwicklung unglaublich viel dazugelernt – nicht nur im technischen Bereich, sondern auch in Themen wie Design, Optimierung, Marketing und vielem mehr. Besonders in Bereichen, in denen ich wenig Erfahrung hatte, waren KI-Tools eine große Unterstützung.
Es war (und ist) eine spannende Reise – aber ganz ehrlich: Bisher war der technische Teil der einfachste.
Was sind deine nächsten Schritte – regionaler Ausbau, neue Features oder Partnerschaften?
Aktuell liegt mein Hauptfokus darauf, das Produkt zu validieren und beide Seiten des Marktes miteinander zu verbinden. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man ein altes Auto starten: Man muss es ein paar Mal versuchen, bis es anspringt – aber wenn es einmal läuft, hält es so schnell niemand mehr auf.
Passau ist für Quickshift eine Art Mini-Welt. Wenn es gelingt, Quickshift in dieser kleinen Welt zu etablieren, dann bin ich überzeugt, dass es auch in anderen kleinen Welten funktionieren kann – und dass sich all diese Netzwerke nach und nach miteinander verbinden lassen.
Welchen Rat würdest du anderen jungen Gründer:innen geben, die ebenfalls aus dem Ausland kommen und mit einer Idee starten wollen?
Ich weiß nicht, ob ich momentan überhaupt in der Position bin, anderen Ratschläge zu geben – ehrlich gesagt würde ich selbst gerne noch viele Ratschläge bekommen.
Aber wenn ich einen Punkt nennen müsste, dann wäre es dieser: Einen passenden Mitgründer oder eine Mitgründerin zu finden, der oder die die gleiche Vision teilt und gleichzeitig Fähigkeiten mitbringt, die die eigenen ergänzen – das ist ein echtes Privileg, das ich selbst nicht hatte.
Wenn ich noch einmal von vorne anfangen würde, würde ich genau diesem Punkt deutlich mehr Bedeutung beimessen.
Denn einen Mitgründer zu haben bedeutet, alles zu teilen – auch die Enttäuschungen, die Zweifel und die schwierigen Phasen. Und genau davon gibt es im Startup-Alltag mehr als genug. Diese Last gemeinsam zu tragen, kann einen riesigen Unterschied machen – emotional, strategisch und auch ganz praktisch im Alltag.
Vielen Dank für das Interview Hedi Feki.
Hedi Feki über sich:
Mein Name ist Hedi Feki, ich bin 28 Jahre alt, lebe seit 2015 in Passau, habe Wirtschaftsinformatik studiert und danach zweieinhalb Jahre als Softwareentwickler gearbeitet. Die Idee für meine App Quickshift entstand aus persönlicher Erfahrung. Während meines Studiums habe ich zahlreiche Jobs gemacht, u.a. als Spüler, Kellner, Barkeeper, Kino Einlasskontrolle, Verkäufer im Imbiss, Produktionshelfer in einer Brotfabrik, Umzugshelfer und die Liste geht weiter. Fast täglich lief ich mit meinem Lebenslauf von Geschäft zu Geschäft, um nach Aushilfsjobs zu fragen – ein zeitraubender und frustrierender Prozess, der nicht mehr zeitgemäß ist.
Über Quickshift:
Quickshift ist eine App, die Jobsuchende und Geschäftsinhaber:innen für eine Probearbeit zusammenbringt – schnell, unkompliziert und ohne klassische Bewerbung. Jobangebote können nach Ort, Zeitraum und Jobtyp gefiltert werden – egal ob Vollzeit, Teilzeit, Minijob oder Saisonarbeit. Einmal ein Profil anlegen – mit Foto, Lebenslauf, Erfahrungen, Sprachen etc. – und man ist nur noch einen Klick vom nächsten Job entfernt. Geschäftsinhaber:innen können Bewerber:innenprofile direkt einsehen und mit einem Klick zur Probearbeit einladen. Die App ist seit Kurzem live und wird aktuell in Passau mit ersten Nutzer:innen getestet. Betriebe können ihre Angebote derzeit kostenlos mit einem Promo-Code posten.
Website: https://quickshift.work
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