UPDATE Wien, 06. Dez – Der Chef des Wiener Öl-, Gas- und Chemiekonzerns OMV wehrt sich gegen einen möglichen staatlichen Auftrag zur Sicherung der Gasversorgung Österreichs und lässt mit einem Vorschlag aufhorchen. Man könne die Gashandelstochter aus dem Unternehmen herauslösen und verstaatlichen, sagte Vorstandschef Alfred Stern den Tageszeitungen „Kurier“ und „Die Presse“ (Dienstagausgabe). Die OMV verfüge nur über einen Marktanteil von 45 Prozent und könne nicht ganz Österreich abdecken, dafür brauche es eine nationale Gashandelsfirma, die die Marktaktivitäten bündeln könnte, so der Manager.
Die Staatsholding ÖBAG prüft im Auftrag des Finanzministeriums und unter Mithilfe des Beraters McKinsey die Möglichkeiten zur Sicherung der Gasversorgung unabhängig von Russland. „Eine Übernahme der Verantwortung durch die Republik ist dabei auch eine der theoretischen Möglichkeiten, die analysiert wird“, sagte ÖBAG-Sprecher Michael Mauritz auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Sowohl ÖBAG als auch Finanzministerium wollten sich nicht zu Details äußern. „Die Prüfung, die die ÖBAG über Ersuchen des Herrn Bundesministers für Finanzen durchführt, ist noch im Gange und die ÖBAG bezieht alle an sie herangetragenen Angebote mit ein“, erfuhr Reuters aus dem Finanzministerium.
Eine Option wäre, dass die OMV einen staatlichen Auftrag zur Gasversorgung bekommt und sie dafür abgegolten wird. Für das Unternehmen selbst dürfte wohl die Verstaatlichung der Tochter die bevorzugte Variante sein. Das Gashandelsgeschäft West, dass die Aktivitäten in Österreich, Deutschland, Ungarn, den Niederlanden und Belgien abdeckt, beschäftigt etwa 200 Mitarbeiter. Es fuhr wegen der hohen Gaspreise als Folge des Ukraine-Krieges in den ersten neun Monaten einen operativen Verlust vor Sondereffekten von mehr als 220 Millionen Euro ein nach einem Gewinn von 63 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Über die Gashandelstochter werden zudem auch die Gaslieferverträge mit der russischen GazpromGAZP.MM gehalten, die bis 2040 laufen.
Neben der OMV, an der die ÖBAG 31,5 Prozent hält, wird auch der Stromkonzern Verbund in die Überlegungen miteinbezogen. Der Energiekonzern steht mehrheitlich im Staatsbesitz und hält wiederum selbst die Mehrheit an der Gas Connect Austria, die in Österreich ein über 900 Kilometer langes Erdgas-Hochdruckleitungsnetz betreibt.
Für Aufsehen mit einem Angebot für die OMV sorgte auch ein Konsortium rund um den norwegischen Gasmanager Sverre Skogen. Das Konsortium, dem auch der Rohstoffhändler Trafigura mit Sitz in Singapur sowie der Private Equity Fonds Bluewater angehören, signalisierte Interesse an 51 Prozent am Explorations- und Produktionsgeschäft der OMV. Im Gegenzug wollen die Investoren Erdgaslieferungen garantieren. Wie diese Mengen nach Österreich kommen sollen, ist allerdings unklar.
Wann die Staatsholding ÖBAG ihre Analyse zur Gasversorgung präsentieren wird, ist noch offen. Eile dürfte es vorerst keine geben, da die Gasversorgung für diesen Winter nach Worten der konservativ-grünen Bundesregierung aufgrund der vollen Erdgas-Speicher gesichert ist. Laut Stern bereitet sich die OMV auch schon auf den nächsten Winter vor. Gegenüber dem „Kurier“ zeigte sich der OMV-Chef zuversichtlich, wieder auf ein Volumen von 80 Terawattstunden (TWh) zugreifen zu können. Diese Mengen würden aus der eigenen Produktion in Norwegen kommen, aus zusätzlichen Gaslieferverträgen mit Norwegen und Italien sowie über das Flüssigerdgas-(LNG)-Terminal in Rotterdam, an dem die OMV beteiligt ist. Damit wäre ein Großteil des heimischen Marktes abgedeckt.
Der Gesamtverbrauch des Landes lag im Vorjahr bei 96 TWh und dürfte aufgrund von Einsparungen sinken. Die große Unsicherheit sind nach Ansicht von Stern die Transportkapazitäten nach Österreich. Diese würden über eine europäische Plattform versteigert, wobei die Auktionen dem Bericht zufolge erst im Sommer 2023 stattfinden.
OMV-Chef schlägt Verstaatlichung der Gashandelstochter vor
Quelle: Reuters
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