Berlin, 24. Feb – Die deutsche Wirtschaft ist Ende 2022 stärker geschrumpft als zunächst angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank von Oktober bis Dezember um 0,4 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Die Behörde hatte in einer ersten Schätzung von Ende Januar nur ein Schrumpfen der Wirtschaftskraft um 0,2 Prozent gemeldet. „Die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende deutlich abgeschwächt.“ Grund war vor allem, dass die privaten Konsumausgaben wegen der hohen Inflation um 1,0 Prozent zum Vorquartal sanken.
Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:
„Vor allem der Konsum und die Bauinvestitionen haben zur schrumpfenden Wirtschaftsleistung beigetragen. Auch für das laufende Quartal ist eine weitere Schrumpfung der Wirtschaftsleistung nicht unwahrscheinlich, wenn auch noch nicht ausgemacht. Dann hätte Deutschland tatsächlich über den Winter eine Rezession erlebt. Ab dem Frühjahrsquartal ist mit einer gewissen wirtschaftlichen Erholung zu rechnen, weil dann allmählich die Inflation sinken wird und sich damit der Konsum stabilisieren dürfte. Insgesamt sind allerdings die Aussichten für das Gesamtjahr 2023 nicht rosig. Das Wachstum dürfte im Jahresvergleich nahe an der Stagnationsgrenze liegen. Eine Belastung wird dabei absehbar der Wohnungsbau sein, der kontinuierlich schrumpfen dürfte.“
ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK:
„Die Inflation hat ihre Zähne gezeigt und zugebissen. Im vierten Quartal knickte die Inlandsnachfrage unter der Last der Preissteigerungen ein. Da half es auch nicht, dass die sinkenden Importe zu den schwachen Exporten ein Gegengewicht bilden konnten. Die Rezession wird sich im ersten Quartal fortsetzen, bevor eine mühsame Erholung einsetzen wird. Denn mit der sinkenden Inflation wird die Kaufkraft allmählich wieder zurückkommen.“
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
„Welche Schäden Inflation anrichten kann, zeigen die Details zum deutschen Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal. Der private Konsum geht gegenüber dem Vorquartal um ein Prozent zurück. Wenn alles teurer wird und vor allem die Nebenkosten für Gas und Strom das monatliche Budget aufzehren, muss gespart werden – auch bei Lebensmitteln. Die heute publizierten Details zum deutschen BIP bringen das ganze Ausmaß der Inflation ans Tageslicht. Es geht noch weiter: Aufgrund der hohen Inflation musste die EZB im vergangenen Jahr drastisch den Leitzins erhöhen. Das höhere Zinsniveau wiederum drückt auf die Bauinvestitionen. Die Bauinvestitionen gingen wie schon in den beiden vorangegangenen Quartalen um 2,9 Prozent zurück. Die hohen geopolitischen Unsicherheiten, Lieferkettenschwierigkeiten und die Belastungen aus steigender Inflation und Zinsen verdarben auch den Unternehmen die Investitionslaune. Die Ausrüstungsinvestitionen nahmen um satte 3,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal ab.“
JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM COMMERZBANK:
„Das ist ein Paukenschlag vom Statistischen Bundesamt. Die Statistiker haben den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal deutlich von -0,2 auf -0,4 Prozent nach unten revidiert. Unter die Räder kam nicht nur der private Verbrauch, sondern auch die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen. Der Energiepreisschock hat im vierten Quartal seinen Tribut gefordert. Wegen des Ausbleibens einer Gasmangellage und der umfangreichen staatlichen Hilfen erwarte ich jedoch nach wie vor keine tiefe Rezession.“
Ökonomen zum unerwartet starken Schrumpfen der deutschen Wirtschaft
Quelle: Reuters
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