Berlin, 17. Jan – Börsenprofis blicken zu Jahresbeginn weitaus optimistischer auf die Wirtschaft in Deutschland als zuletzt und legen ihre Rezessionsfurcht zusehends ab. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur in den nächsten sechs Monaten sprang im Januar um 40,2 Punkte auf 16,9 Zähler, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 179 Analysten und Anlegern mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf minus 15,0 Punkte gerechnet. Zum ersten Mal seit Februar 2022 befindet sich der Indikator nun wieder im positiven Bereich.
Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:
ULRICH WORTBERG, HELABA:
„Die Stimmung unter den Finanzmarktteilnehmern wird besser. Zum ersten Mal seit Februar letzten Jahres ist der Saldo der Konjunkturerwartungen wieder positiv. Auf einen Anstieg hatte bereits das Sentix-Investorenvertrauen hingewiesen, das sich im Januar freundlich entwickelte. Auch die gute Performance der Aktienmärkte und die niedrigeren Energiepreise wirken stützend. Zudem hoffen Marktteilnehmer darauf, dass das Inflationstop überschritten ist. Die Konjunktursorgen werden tendenziell kleiner und die Indikation für das kommende Ifo-Geschäftsklima Deutschland ist positiv. Für die EZB gibt es aber noch keinen Grund, vom Zinserhöhungspfad abzurücken. Darauf haben in den letzten Tagen zahlreiche EZB-Vertreter hingewiesen.“
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
„Die ZEW-Konjunkturerwartungen legen die Rezession ad acta. Noch ehe die Rezession überhaupt da ist, verbessern sich die konjunkturellen Aussichten merklich. Die vom ZEW befragten Finanzmarktanalysten legen die Furcht vor einer Rezession in zunehmenden Maße ab. Die deutsche Wirtschaft schlug sich zuletzt besser als befürchtet. Die wieder besser funktionierenden Lieferketten werden positiv auf die Industrieproduktion abfärben. Gleichzeitig ist eine Energiemangellage für diesen Winter nur noch mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit versehen. Die Energiepreisbremse besänftigt gleichzeitig den Konsumenten.
Doch bei aller berechtigter Hoffnung auf einen besseren als ursprünglich erwarteten Konjunkturverlauf – die deutsche Wirtschaft ist noch nicht aus dem Schneider. Die Verbesserung vieler Konjunkturvorlaufindikatoren spiegelt primär das Ausbleiben der Horrorszenarien wider. Noch vor wenigen Wochen herrschte die Furcht vor einer Gasmangellage und damit verbundener Energierationierungen. Damit wäre die europäische Wirtschaft abgestürzt.
Das Ausbleiben dieses Absturzes löst große Erleichterung aus. Allerdings geht die Erleichterung mittlerweile zu weit. Die Verbraucher sind noch immer schwerwiegend belastet und die Industrie blickt nach Abarbeitung der liegenden gebliebenen Bestellungen auf Löcher in den Auftragsbüchern. Dass die deutsche Wirtschaft an einer wirtschaftlichen Kontraktion vorbeischrammt, hat zwar zuletzt etwas an Wahrscheinlichkeit hinzugewonnen, Hauptszenario bleibt indes weiterhin eine Rezession.“
Ökonomen zum unerwartet starken Anstieg des ZEW-Index
Quelle: Reuters
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