Berlin, 27. Mrz – Der massive Verkehrsstreik wird Chefökonomen zufolge keine sichtbaren Bremsspuren in der deutschen Konjunktur hinterlassen. „Der Streik ist lästig, aber die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft sind letztlich gering“, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „Uns fehlt ein Arbeitstag in einigen Bereichen. Ein Teil der streikbedingten Verluste wird aber typischerweise anschließend wieder aufgeholt.“ Die allgemeine Richtung der Konjunktur ändere sich dadurch nicht.
„Der Megastreik belastet die Bürger und schadet dem Ruf Deutschlands als Wirtschaftsstandort“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Aber bei einem eintätigen Streik halten sich die konjunkturellen Auswirkungen in engen Grenzen, weil abgesehen von den direkt bestreikten Verkehrsunternehmen fast alle anderen Betriebe weiterarbeiten.“ Viele Angestellte seien seit der Corona-Zeit zudem an die Arbeit von zu Hause gewöhnt. Maximal 181 Millionen Euro direkte Kosten durch blockierte Häfen, ausgefallene Flüge und Bahnverbindungen dürften entstehen. Ähnlich sieht das Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe: „Das streut ein bisschen Sand ins Getriebe, sorgt aber nicht für substanzielle Verluste“.
„REIBUNGSVERLUSTE GIBT ES“
Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit sieht das ähnlich. „Der Verkehrsstreik durchkreuzt etliche Reisepläne“, sagte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Viele Beschäftigte können ihren Arbeitsort aber auch ohne öffentliche Verkehrsmittel erreichen, und seit Corona ist Homeoffice in der Breite eingespielt.“ Zudem habe es eine recht lange Vorlaufzeit gegeben, in der sich Betriebe auf die Situation einstellen und zum Beispiel Lieferungen umplanen konnten. „Tatsächliche volkswirtschaftliche Ausfälle dürften sich also begrenzen lassen, aber Reibungsverluste gibt es“, sagte Weber.
Deutschland habe wenig Erfahrung mit solch großen Streiks, betonte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Wenn man sich den Europameister im Streiken, Frankreich, anschaut, bekommt man aber eine Idee.“ Ein Tag mit direkten und indirekten Folgen eines Arbeitsausstandes habe kaum messbare Auswirkungen auf die Konjunktur, denn große Teile dürften in den Tagen danach wieder aufgeholt werden. In Frankreich kostete eine Woche Dauerstreik 0,1 Prozentpunkte Wachstum im Quartal. „Der nationale Streiktag ist für Betroffene ärgerlich, für die Konjunktur allerdings vernachlässigbar – wenn es jedenfalls bei einem Tag bleibt“, lautet das Fazit von Brzeski.
In der Nacht zum Montag ist ein Großstreik der Gewerkschaften Verdi und EVG bei Bahn, Bus und Flughäfen angelaufen. Sie wollen mit einem 24-stündigen Arbeitskampf den öffentlichen Verkehr in vielen Regionen Deutschlands weitgehend lahmlegen und damit den Druck auf die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen erhöhen. Betroffen sind Millionen Berufspendler und Reisende.
Ökonomen zum Megastreik – Lästig, aber mit geringen Konjunkturfolgen
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von NoName_13 auf Pixabay
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