Berlin, 21. Mrz – Die Sorgen um eine neue Finanzkrise lassen Börsenprofis spürbar pessimistischer auf die deutsche Wirtschaft blicken. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur in den nächsten sechs Monaten sank im März um 15,1 auf 13,0 Punkte. Damit endete eine Serie von fünf Anstiegen in Folge, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 162 Analysten und Anlegern mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 17,1 Zähler gerechnet. Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
JÖRG ANGELÉ, BANTLEON:
„Der Erholungsbewegung des ZEW-Index geht die Luft aus. Die negativen konjunkturellen Effekte des schärfsten Zinsanstiegs der vergangenen 40 Jahre werden immer deutlicher sichtbar. Dabei entfalten sie ihre volle Wirkung erst in den kommenden Quartalen. Es fehlt mithin die Grundlage für einen Aufschwung. Im Gegenteil: Die Vorzeichen stehen weiter auf Rezession. Zu den binnenwirtschaftlichen Belastungen kommt die nachlassende globale Nachfrage, angeführt von den USA, wo sich eine Rezession zusammenbraut. Die Konjunkturerholung in China wird diese negativen Impulse lediglich abmildern, nicht jedoch kompensieren. Der Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes im vierten Quartal 2022 sollte vor diesem Hintergrund nicht der letzte gewesen sein. Der ZEW-Index dürfte daher im Verlauf der nächsten Monate tendenziell weiter nachgeben.“
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
„Nach den Banken zittern nun auch Analysten. Der kräftige Rückgang der Konjunkturerwartungen ist eine naheliegende Reaktion. Bestätigen sich die Bankensorgen nicht, besteht hier ein hohes Erholungspotenzial. Wenn Bankensorgen die Stimmung dominieren, sagt das über die zu erwartende Konjunkturdynamik wenig aus. Die anhaltend schlechte Lagebeurteilung ist konjunkturell derzeit aussagekräftiger. Wegen der Bankenprobleme sind die Stimmungsindikatoren für März mit Vorsicht zu interpretieren.“
ULRICH WORTBERG, HELABA:
„Sowohl die Konjunkturerwartungen als auch die Lagebeurteilungen haben sich deutlich abgeschwächt und die Konsensschätzungen unterschritten. Dafür verantwortlich dürften auch die Unsicherheiten und Marktturbulenzen im Zusammenhang mit der Bankenkrise sein, worauf die befragten Marktteilnehmer und Finanzanalysten empfindlich reagieren. Fraglich ist, wie sich die Krise der letzten Tage auf die Geschäftserwartungen der Unternehmen auswirkt. Die Indikation für das kommende Ifo-Geschäftsklima Deutschland ist zumindest negativ.“
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
„Die Turbulenzen im Bankensektor belasten die Konjunktur. Dieser Meinung sind zumindest die vom ZEW befragten Finanzmarktanalysten. Die Sorgen sind nicht unberechtigt. Dabei steht weniger die Furcht vor weiteren Bankenschieflagen im Vordergrund als vielmehr die Frage, ob die Banken dies- und jenseits des Atlantiks nun nicht noch restriktiver werden. Die Angst vor einem Credit Crunch geht um. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wies auf der Pressekonferenz in der vergangenen Woche bereits darauf hin: Zu beobachten sei, wie sich die Verspannungen im Finanzsektor auf den geldpolitischen Transmissionsmechanismus auswirken würden.
Was zugegebenermaßen sehr technisch klingt, heißt übersetzt: Die Banken könnten möglicherweise die Daumenschrauben für die Kreditvergabe jetzt noch stärker anziehen. Bereits in den vergangenen Monaten verschärfte die Finanzwirtschaft in Anbetracht gestiegener Zinsen ihre Kreditvergabebedingungen. Wenn Banken nun noch restriktiver agieren, hätte dies Implikationen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Gerade deshalb senken die vom ZEW befragten Finanzmarktanalysten ihre Erwartungen an den weiteren Konjunkturvorlauf.“
Ökonomen zum deutlichen Rückgang des ZEW-Index
Quelle: Reuters
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