Warum sollte sich jedes Unternehmen für die Einhaltung der Klimaziele, die beispielsweise im Pariser Abkommen ausgehandelt wurden, interessieren? Weil es sonst teuer und sogar existenzgefährdend werden kann. Das sehen inzwischen auch mehr als die Hälfte (55%) der in einer Studie von Capgemini befragten deutschen Unternehmen ein. Sie glauben, dass der Klimawandel die Hauptursache für zukünftige Störungen im Betriebsablauf sein wird und stimmen deshalb zu, dass sich etwas an gängigen Geschäftspraktiken ändern muss. Die gleiche Studie kommt zum Ergebnis, dass sogar 61% der befragten Führungskräfte weltweit glauben, dass eine fehlende Nachhaltigkeitsstrategie auf lange Sicht zum Existenzrisiko wird.
Die Auswirkungen dieser Trendwende sind deutlich erkennbar, zumindest in der Theorie. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren öffentlich verkündet, dass sie bis 2050 klimaneutral sein möchten. Darunter sogar aus Branchen, die nicht gerade als nachhaltig bekannt sind und deshalb immer wieder in der Kritik stehen. Der Geschäftsführer von MSC Cruises Deutschland, Christian Hein, sagte in einem Interview beispielsweise, dass Klimaschutz ein zentrales Thema in der Kreuzfahrtbranche sei und sich sein Unternehmen die Klimaneutralität zutraue. Auf Nachfragen, wie er das praktisch umsetzen möchte, gibt er an, dass es hier ganz verschiedene Ansätze gebe.
Vertreter der Luftfahrt äußern sich ähnlich. Jens Bischof, der Eurowings-Geschäftsführer, nennt in einem Interview die Modernisierung der Flotte und neue nachhaltige Kraftstoffe als wichtige Hebel, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Zusätzlich setzt er auf die Kooperation der Kund:innen, um Fliegen klimaneutraler zu machen. Das ist jetzt bereits bei vielen Airlines möglich. Gegen einen entsprechenden Aufpreis können Passagiere das CO2 ihres Fluges ganz oder teilweise kompensieren, mitunter durch Sustainable Aviation Fuels.
Eine Nachhaltigkeitsstrategie kann sich entsprechend aus vielen verschiedenen Komponenten zusammensetzen, darin liegt eine große Chance. Aber das macht es manchmal auch schwer, die Strategie zu operationalisieren.
So geht es vielen Führungskräften und Top-Managern: Die Einsicht und Absicht ist da, aber wie genau anfangen? Besonders in schwer zu dekarbonisierenden Branchen wie Reisen und Logistik ist das nicht ganz einfach. Ein Lösungsansatz liegt im Einbeziehen aller relevanten Stakeholder und im klugen Verknüpfen von Nachhaltigkeitszielen mit Wirtschaftlichkeit. Denn Klimaneutralität zu targetieren, ohne dabei den Jahresgewinn in Betracht zu ziehen, wird bei den C-Level-Managern nicht gut ankommen. Viele Nachhaltigkeitsmanager kennen diese Herausforderung bereits gut. Wenn nicht klar ist, dass klimabezogene Projekte sich positiv auf die Bilanz auswirken, haben sie es schwer im Kampf um Budgets und Ressourcen.
Obwohl es an vielen Stellen der Politik in Europa zu Überregulierung kommt, ist es vielleicht eine gute Nachricht, dass die Politik konsequent den Druck auf Unternehmen verschärft und die regulatorischen Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit strenger fasst. Schätzungsweise rund 50.000 Unternehmen in der EU, davon 15.000 in Deutschland, sind davon betroffen. Durch die Anpassung der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird ab 2024 der Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit neu definiert. Damit ist gemeint, dass Unternehmen künftig aus zwei verschiedenen Perspektiven berichten müssen. Einerseits (outside-in) sollen sie offenlegen, welche Auswirkungen einzelne Nachhaltigkeitsaspekte auf den Betrieb haben, aber auch welche Auswirkungen die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die Umwelt (inside-out) hat. Die Möglichkeit des “comply or explain” entfällt. Damit war es bisher noch möglich zu erklären, weshalb Angaben zu Nachhaltigkeitsaspekten fehlen. Man könnte also sagen, die Zeit für Ausreden ist vorbei und jetzt zählt wer wirkungsvolle Maßnahmen ergreift. Da CSRD insbesondere eine Offenlegung für Investoren und Kunden im Sinn hat, ist es nur im Eigeninteresse jedes Unternehmens, das Thema ernst zu nehmen.
Praktisch kann das mit diesen Schritten gelingen:
Klare CO2-Ziele mit kurzfristiger Wirkung definieren
Es ist für alle Beteiligten überfordernd das langfristige Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ständig vor sich zu haben. Um das in die Praxis umsetzen zu können, muss es in kurzfristigen und mittelfristigen Zielen operationalisiert werden, am besten in Verbindung mit konkreten Wirkungen.
Wirtschaftliche KPIs auswählen, die sich aus den Nachhaltigkeitsmaßnahmen ableiten
Um alle Stakeholder zu überzeugen, ist es wichtig, jede Maßnahme zur CO2-Reduktion mit einem positiven wirtschaftlichen Impact zu verknüpfen. Es mag vielleicht neu sein für manche C-Level-Manager, Nachhaltigkeit und Profitabilität zu verknüpfen, aber im Grunde liegt es nahe, dass sie sich nicht widersprechen. Bei den meisten Maßnahmen zur CO2-Reduktion geht es um mehr Effizienz, also um die Frage, wie Ressourcen besser genutzt werden können und das ist letztlich genauso eine Kernfrage wirtschaftlichen Handelns. Konkret lassen sich Kosten für CO2 Zulagen reduzieren, z.B. im EU ETS, oder die Attraktivität von Produkten über die Nachhaltigkeitskosten hinaus steigern.
Nachhaltigkeitsprojekte gehen alle an
Für den Erfolg und die praktische Durchsetzung ist es entscheidend, die Maßnahmen zur CO2-Reduzierung als Führungsaufgabe zu verstehen und in die Kerngeschäftsstrategie zu integrieren. Nur wenn sich bereichsübergreifend das Top Management zu den Zielen bekennt, ist die Erreichung realistisch. Deshalb gehört Nachhaltigkeit in die nächste Vorstandssitzung.
Unternehmen, die das Thema ernst nehmen und angehen, sichern sich langfristig nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern können jetzt noch zusätzlich von einem positiven Image bei ihren Stakeholdern profitieren. In ein paar Jahren werden Nachhaltigkeitsaspekte zum Hygienefaktor und die Richtlinien zur Offenlegung der Maßnahmen weiter verschärft, dann haben Führungskräfte und Nachhaltigkeitsmanager ihre Chance verpasst, hier als Vorreiter zu glänzen. Jetzt aber können die Unternehmen noch auftrumpfen, die neben Lippenbekenntnissen auch konkrete messbare Ziele, eine Strategie für die Umsetzung und in Folge gute Bilanzen in ihren Berichten vorlegen können.
Ein Gastbeitrag von Dan Kreibich, Mitgründer und Chief Product Officer von SQUAKE.
Über SQUAKE:
SQUAKE hilft Unternehmen, ihre CO2-Emissions-Ziele zu definieren und zu erreichen: Das Start-up hat eine der weltweit fortschrittlichsten Technologielösungen zur Berechnung und Kompensation von CO2-Emissionen in der Reise- und Logistikbranche entwickelt: Über SQUAKE’s Plattform können Unternehmen ihre Tools anbinden und ihren CO2-Fußabdruck in Echtzeit berechnen, anzeigen und reporten. Darüber hinaus greift SQUAKE auf ein breites Netzwerk von zertifizierten Partnern zurück, um seinen Kunden die passenden CO2-Kompensationsmaßnahmen anbieten zu können, darunter namhafte Anbieter und Initiativen für nachhaltige Kraftstoffe wie Sustainable Aviation Fuel (SAF) und Hydrotreated Vegetable Oil (HVO). Das Unternehmen wurde im Lufthansa Innovation Hub initiiert, 2021 ausgegründet und hat bereits 5 Millionen EUR an Funding eingesammelt.
Foto/Quelle: SQUAKE