Freitag, November 22, 2024
StartBörse"Not-Übernahme" der CS kann Finanzmärkte nicht beruhigen

„Not-Übernahme“ der CS kann Finanzmärkte nicht beruhigen

Zürich, 20. Mrz – Die milliardenschwere Rettungsaktion für die Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) kann die Finanzmärkte anders als erhofft nicht beruhigen. Der größere Rivale UBS lässt sich auf Druck von Notenbanken, Regulierungsbehörden und der Schweizer Regierung auf eine drei Milliarden Franken schwere Not-Übernahme der schwer angeschlagenen Credit Suisse ein und schafft damit einen globalen Bankenriesen. Damit soll eine neue Finanzkrise im Keim erstickt werden. Doch an den Börsen herrscht mit Blick auf die Branche weiter Verunsicherung – vor allem, da Aktionäre und andere Kapitalgeber der CS tiefe Einschnitte hinnehmen müssen.

An der Börse wurde die UBS-Aktie am Montag mit einem Minus von bis zu 16 Prozent abgestraft. CS stürzten in der Spitze um 64,5 Prozent auf 66 Rappen ab, etwas weniger als deren Aktionäre in Form von UBS-Aktien bekommen. In ihrem Sog gaben Papiere anderer europäischer Großbanken wie Deutsche Bank und Commerzbank nach. Es ist das erste Mal seit der weltweiten Finanzkrise 2007/08, dass eine Notenbank sich zu einer Stützung für eine so große Bank gezwungen sah. Jürgen Molnar von RoboMarkets sprach von einer „Zwangsheirat“, die die Investoren ratlos mache.

Internationale Bankenaufseher und Politiker beeilten sich zu beschwichtigen: EZB-Präsidentin Christine Lagarde begrüßte die Rettungsaktion der Schweiz. Sie sei entscheidend, um geordnete Marktbedingungen wieder herzustellen. „Der Bankensektor des Euro-Raums ist widerstandsfähig, mit starken Kapital- und Liquiditätspositionen.“ Das deutsche Finanzministerium und die EU-Bankenaufsicht EBA äußerten sich am Montag gleichlautend. „Das deutsche Finanzsystem erweist sich weiterhin als stabil und robust“, erklärte ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

UBS-Verwaltungsratschef Colm Kelleher sprach offen von einer „Notrettung“ der Credit Suisse. „Es ist ein historischer Tag und ein Tag, von dem wir gehofft hatten, dass er nicht kommen würde.“ Die seit Jahren mit Negativ-Schlagzeilen kämpfende CS war in eine Vertrauenskrise geraten, die die gesamte Branche in Mitleidenschaft zu ziehen drohte. Kunden zogen massiv Einlagen ab, laut „Financial Times“ zuletzt zehn Milliarden Franken pro Tag. Die Schweizer Finanzaufsicht Finma erklärte: „Es bestand die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit der Bank, selbst wenn diese weiterhin solvent war.“ Die Stabilität des Finanzsystems sei nun wichtiger als die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs zwischen den größten Banken des Landes.

INSIDER: 10.000 STELLEN BEI CREDIT SUISSE IN GEFAHR

„Es entsteht eine einzige, riesige Schweizer Bank, die mit dieser opportunistischen Discount-Übernahme zwar enorm groß wird, aber nicht an Qualität gewinnt“, warnte Stephan Sola, Manager des Plutos Schweiz Fonds. Die neue UBS kommt auf ein verwaltetes Vermögen von 3,4 Billionen Dollar und rund 120.000 Beschäftigten. Einem Insider zufolge könnten mindestens 10.000 Stellen abgebaut werden. Das Investmentbanking der CS soll heruntergefahren werden. Die UBS könne einen radikalen Umbau deutlich besser umsetzen als die CS selbst, schrieb Analyst Johann Scholtz von Morningstar.

Laut Analysten von Citi wird die UBS damit der zweitgrößte Verwalter privater Vermögen der Welt nach Morgan Stanley. Die Bilanzsumme der kombinierten Bank von 1,7 Billionen Dollar sei mehr als das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. „Wir bezweifeln, dass das die Lösung ist, die die Schweizer Regierung wollte“, hieß es in der Studie. Das gleiche gelte für die Verbraucher in der Schweiz: Eine Bank vereinige nun ein Viertel des Hypothekenmarktes auf sich.

„Das war die einzige mögliche Lösung“, sagte die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Eine Verstaatlichung wäre keine Alternative gewesen. „Ein Konkurs der Credit Suisse hätte schwerwiegende Folgen für die Schweizer und internationale Finanzstabilität gehabt“, sagte der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan. Die 167 Jahre alte Credit Suisse zählt zu den größten Vermögensverwaltern der Welt und gilt als eine von 30 Banken, deren Ausfall das ganze Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnte. Die Schweiz gibt der UBS milliardenschwere Ausfallgarantien, um mögliche Verluste abzufedern. Die SNB stellt den beiden Banken zudem weitere 200 Milliarden Franken an Liquiditätshilfen zur Verfügung.

HELFEN NOCH GRÖSSERE KAPITALPUFFER?

Verzichten müssen die Kapitalgeber der Credit Suisse. Die CS-Aktionäre erhalten UBS-Aktien, allerdings zu einem Umtausch-Verhältnis, das 60 Prozent unter dem Schlusskurs vom Freitag liegt. Der erst 2022 mit 1,4 Milliarden Dollar eingestiegene Großaktionär, die Saudi National Bank, büßt 80 Prozent seines Einsatzes ein. Noch heftiger trifft es Käufer von AT1-Anleihen, die die CS im Volumen von fast 16 Milliarden Franken ausgegeben hatte. Sie verlieren alles, wie die Finma entschied. Die eigenkapitalähnlichen AT1-Papiere waren nach der Finanzkrise 2007/08 als zusätzliche Risikopuffer eingeführt worden, um zu verhindern, dass Banken schnell in die Knie gehen. Analysten zeigten sich überrascht, dass Anleger in diese Papiere bei der Transaktion schlechter gestellt würden als die Aktionäre.

Die Fusion schaffe neue Probleme, kritisierte Finanzwende, ein vom ehemaligen Grünen-Politiker Gerhard Schick ins Leben gerufener Interessenverband. „Mit dieser Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht Pleite gehen darf“, sagte Schick. Nötig seien jetzt viel höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen und eine Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanking. Ein hochrangiger Bankmanager sagte dagegen, ein „Bank Run“ lasse sich auch mit noch großen Puffern nicht verhindern. 

„Not-Übernahme“ der CS kann Finanzmärkte nicht beruhigen

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Sigurd Rille auf Pixabay

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