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Zürich, 14. Nov (Reuters) – Nach einem weiteren Forschungsrückschlag mit einem neuartigen Alzheimermedikament des Schweizer Roche-KonzernsROG.S bleiben die Behandlungsoptionen für die am weitesten verbreitete Demenzerkrankung beschränkt. Der Antikörper Gantenerumab konnte in zwei großangelegten spätklinischen Studien der Phase III den kognitiven und funktionellen Verfall bei Patienten im Frühstadium der Krankheit nicht verlangsamen, teilte der Pharmariese aus Basel am Montag mit. Die Arznei verfehlte damit die Hauptziele in den beiden mit Spannung erwarteten Studien „Graduate I und II“.
Für Roche verpufft mit dem erneuten Rückschlag die Aussicht auf Milliardeneinnahmen. Das kam an der Börse nicht gut an: Mit einem Kursminus von 3,5 Prozent waren die Genussscheine der größte Verlierer unter den europäischen Gesundheitswerten.SXDP. Regelrecht in die Tiefe riss die Hiobsbotschaft die deutsche Biotech-Firma MorphosysMORG.DE mit einem Kurssturz von 31 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als zwölf Jahren. Das Unternehmen aus Planegg bei München hatte Gantenerumab einst entwickelt, die Rechte an dem Antikörper dann im Jahr 2000 an Roche verkauft. Für Morphosys bedeutet das wohl den Verlust von hohen Zahlungen der Schweizer.
„Ein Flop zu viel“, erklärte Michael Kunz, Analyst der Luzerner Kantonalbank. Die Entwicklungspipeline von Roche habe damit etwas zu oft enttäuscht, um den Konzern auf der Favoritenliste der Bank zu belassen, erklärte Kunz. Die Experten der Credit Suisse bezeichneten das Scheitern der Studie als „eindeutig“. Analysten hatten Gantenerumab im Erfolgsfall einen Spitzenumsatz von bis zu zehn Milliarden Dollar jährlich zugetraut. Zuvor hatte bereits das Mittel Crenezumab von Roche und AC ImmuneACIU.O den kognitiven Abbau bei bestimmten Alzheimer-Patienten nicht verlangsamt oder verhindert. Und auch eine neuartige Lungenkrebstherapie des Konzerns hatte das Behandlungsziel zuletzt verfehlt.
Roche zufolge verlangsamte die Behandlung mit Gantenerumab zwar die Verschlechterung der Leistungsfähigkeit in Bereichen wie Gedächtnis, Orientierungsvermögen oder Problemlösungsfähigkeit. Diese Ergebnisse waren aber nicht statistisch signifikant. Zudem fiel der Abbau von Beta-Amyloid, dem Protein, das sich zu Plaques im Gehirn von Menschen mit Alzheimer ablagert, geringer aus als erwartet. Roche will die Studienresultate auf dem Alzheimer-Kongress CTAD am 30. November vorstellen. Und der Konzern will weiterhin Alzheimer-Therapien und -Diagnostik entwickeln.
Der erneute Rückschlag bedeutet auch eine zusätzliche Aufgabe für den designierten neuen Roche-Chef Thomas Schinecker. Der Leiter der Diagnostiksparte soll Severin Schwan im März an der Spitze des Konzerns ablösen. Schwan, der den weltgrößten Hersteller von Krebsmedikamenten erfolgreich breiter aufgestellt hat, soll Präsident des Verwaltungsrats werden.
HOFFNUNGEN RUHEN VORERST AUF BIOGEN UND EISAI
Die beste Aussicht auf eine wirksame neue Alzheimer-Therapie und damit auf mögliche Milliardeneinnahmen haben damit weiterhin der US-Biotechnologiekonzern BiogenBIIB.O und sein japanischer Partner Eisai4523.T. Deren Mittel Lecanemab hatte jüngst in klinischen Tests mit Patienten im Frühstadium der Krankheit den kognitiven und funktionellen Verfall deutlich verlangsamt – ein seltener Erfolg in der Alzheimerforschung, die auf eine lange Reihe von Misserfolgen zurückblickt. Das hatte auch Hoffnungen auf einen Erfolg für die Roche-Arznei geschürt. Denn Gantenerumab verfolgt den gleichen Behandlungsansatz wie Lecanemab, die Entfernung von Ablagerungen Beta-Amyloid-Proteins aus dem Gehirn von Alzheimer-Patienten. „Dementsprechend scheint für die Basler nun der Zug bei den Alzheimer-Medikamenten abgefahren“, urteilte Analyst Kunz.
Weltweit leiden 55 Millionen Menschen an Demenz, die meisten davon nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wahrscheinlich an Alzheimer. Im Jahr 2030 wird dann mit voraussichtlich 78 Millionen Demenz-Betroffenen gerechnet. Alzheimer ist schwer zu diagnostizieren, vor allem im Frühstadium der Erkrankung.
Morphosys nach Alzheimer-Flop bei Roche auf Talfahrt
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von Ulrike Leone auf Pixabay
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