Kiew, 07. Sep – Die Ukraine macht bei ihrer Gegenoffensive im Osten des Landes offenbar Fortschritte. Zwar hielt sich die Regierung in Kiew am Mittwoch weiter bedeckt hinsichtlich ihres militärischen Vorgehens. Doch der gegnerische ranghohe Separatist Danijl Bessonow aus dem russisch-besetzten Teil der Region Donezk äußerte sich ungewöhnlich offen zur Lage. Seinen Angaben zufolge begannen ukrainische Streitkräfte am Dienstag mit einem seit längeren vorbereiteten Angriff auf Balaklija.
Die 27.000-Einwohner-Stadt liegt zwischen der umkämpften Großstadt Charkiw und dem russisch-besetzte Isjum, wo sich ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt für den russischen Nachschub befindet. Bessonow räumte auf Telegram ein, dass sämtliche Zugänge nach Balaklija mittlerweile wegen des Beschusses nicht mehr nutzbar seien. Sollte die Stadt fallen, würden die russischen Streitkräfte in Isjum an ihrer Nordwestflanke verwundbar, fügte er unumwunden hinzu.
Das ukrainische Militär hielt sich mit Details zu den Kämpfen wie üblich zurück. Es meldete aber in seinem regelmäßigen Lagebericht Angriffe auf sieben russische Kommandoposten. Zudem seien 13 „Objekte, an denen russische Streitkräfte konzentriert sind“, angegriffen worden. Wo diese Ziele liegen, erläuterte das Militär nicht, fügte aber hinzu, dass in der Region Donezk russische Angriffe auf mehrere Städte abgewehrt worden seien, darunter auf das strategisch wichtige Bachmut. Der Gouverneur der an Donezk grenzenden Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sagte im ukrainischen Fernsehen, ein Gegenangriff sei im Gange. „Unsere Truppen freuen sich über einige Erfolge. Belassen wir es dabei.“
Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Dienstag „großartige Neuigkeiten“ zum Einsatz in der Region Charkiw angekündigt. Der Präsident selbst hielt sich dann in seiner abendlichen Ansprache aber ebenfalls zurück. Fünf russische Raketen seien am Dienstag abgeschossen worden, die meisten davon im Süden des Landes.
UKRAINE ZUR LAGE IM SÜDEN: EINIGE GEBIETE BEFREIT
Dort läuft die eigentliche Gegenoffensive der Ukrainer. Doch auch hierzu lassen sich die ohnehin spärlichen Informationen und Angaben unabhängig kaum überprüfen. Die Führung in Kiew lässt keine Journalisten an die Front und veröffentlicht nur eingeschränkte Lageberichte, um auch Russland im Unklaren zu lassen und das Momentum der Überraschung nicht aus der Hand zu geben. Eine Militärsprecherin wurde in Medien mit den Worten zitiert, dass „bereits einige Gebiete befreit wurden“. Nach Einschätzung westlicher Militärexperten versucht die Ukraine im Süden anscheinend, Tausende russische Soldaten am Westufer des Dnjepr festzusetzen und deren Nachschublinien zu zerstören.
Besonders heikel ist die Lage im Süden auch, weil dort das umkämpfte Atomkraftwerk Saporischschja liegt. Das seit März von russischen Soldaten besetzte größte AKW Europas kam in den vergangenen Wochen mehrfach unter Beschuss, was Befürchtungen schürte, dass es zu einer Nuklearkatastrophe kommen könnte. Russland und die Ukraine geben sich dafür gegenseitig die Schuld.
Die internationale Atomenergieaufsicht IAEA hatte die Anlage vergangene Woche inspiziert. In ihrem Bericht dazu forderte sie am Dienstag die Einrichtung einer Sicherheitszone. Der russische Außenminister Sergej Lawrow verlangte am Mittwoch jedoch Erläuterungen zu Teilen des IAEA-Berichts. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief beide Kriegsparteien auf, eine demilitarisierte Zone um das AKW zu errichten.
Meldungen über Vorrücken ukrainischer Truppen im Osten
Quelle: Reuters
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