EU-Parlament: Mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten – auch in Baden-Württemberg
Bis Ende Juni 2026 müssen alle großen börsennotierten Unternehmen in der EU dafür sorgen, dass es mehr Frauen in ihren Führungsetagen gibt. Das gilt auch für Firmen in Baden-Württemberg. In Straßburg verabschiedete das Europäische Parlament dazu eine neue EU-Richtlinie.
Am Dienstag nahm das Parlament die Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten an – zehn Jahre nach der erstmaligen Vorlage des Vorschlags. Mit der Richtlinie will man transparente Einstellungsverfahren in Unternehmen erreichen. Bis Ende Juni 2026 sollen mindestens 40 % der Aufsichtsräte (nicht geschäftsführende Direktor*innen) oder 33 % aller Unternehmensleitungsposten von dem unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Jeder EU-Mitgliedsstaat kann sich für eine der beiden Option entscheiden. In Baden-Württemberg (18,2 %) war 2022 nur knapp jedes fünfte Aufsichtsratsmitglied eine Frau.
In den neuen Vorschriften heißt es, Auswahlverfahren müssen transparent sein, das wichtigste Kriterium bleibe aber auch künftig die Qualität der Bewerber*innen. Börsennotierte Unternehmen müssen den zuständigen Behörden einmal jährlich Informationen über die Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen (Aufsichtsräte und Vorstände) vorlegen. Wenn sie die gesetzten Ziele nicht erreicht haben, müssen sie mitteilen, wie sie diese erreichen wollen. Diese Informationen werden auf der Website des Unternehmens in leicht zugänglicher Form veröffentlicht.
Für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten gilt die Richtlinie nicht.
In Deutschland lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 160 Firmen im Dax, MDax und SDax sowie der weiteren 23 im regulierten Markt notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen bei rund 33,5 %, wie aus dem Women-on-Board-Index der Organisation „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar) vom April 2022 hervorgeht. Ein seit 2015 geltendes Gesetz sieht hierzulande eine Quote von 30 % für die rund 100 größten börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen vor. Die Mindestquote hat laut Regierungsangaben seit ihrer Einführung zu einem deutlichen Anstieg des Frauenanteils in den Aufsichtsrätender unter die Quote fallenden Unternehmen geführt.
Insgesamt ist in deutschen Unternehmen im Schnitt nur rund jedes fünfte Aufsichtsratsmitglied weiblich (19,4 %), wie eine bei Statista veröffentlichte Analyse des Informationsdienstleisters CRIF ergab (Stand März 2022). Dabei rangiert Baden-Württemberg mit 18,2 % auf dem vorletzten Platz im Bundesländer-Ranking und bildet mit den ebenfalls im Südwesten gelegenen Rheinland-Pfalz (18,8 %) und Saarland (17,1 %) die Schlussgruppe. Die höchsten Anteile weisen mit rund einem Viertel weiblich besetzter Aufsichtsratsmitglieder Mecklenburg-Vorpommern (26,4 %) und Brandenburg (25,2 %) auf.
Mecklenburg-Vorpommern 26,4 %
Brandenburg 25,2 %
Berlin 24,7 %
Hamburg 22,9 %
Sachsen 22,8 %
Thüringen 22,1 %
Hessen 21,2 %
Schleswig-Holstein 21,1 %
Bremen 20,9 %
Sachsen-Anhalt 20,1 %
Niedersachsen 19,4 %
NRW 19,3 %
Bayern 19,2 %
Rheinland-Pfalz 18,8 %
Baden-Württemberg 18,2 %
Saarland 17,1 %
Strafen
Die Mitgliedstaaten müssen wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Strafen wie Geldbußen für Unternehmen vorsehen, in denen es keine offenen und transparenten Einstellungsverfahren gibt. Wenn der von dem jeweiligen Unternehmen ausgewählte Vorstand oder Aufsichtsrat gegen die Grundsätze der Richtlinie verstößt, könnte er von einem Gericht für nichtig erklärt werden.
Zitate der Berichterstatterinnen
Die Ko-Berichterstatterin Evelyn Regner (S&D, Österreich) erklärte:
„Dies ist ein Mosaikstein von vielen, aber ein ganz wichtiger. Wir geben Frauen endlich eine faire Chance in Spitzenpositionen von Unternehmen zu gelangen. Frauen sind klug, sie sind innovativ und sie sind einfach zu vielem fähig.“
Die Ko-Berichterstatterin Lara Wolters (S&D, Niederlande) sagte:
„Nachdem es 10 Jahre eine Blockade gegeben hat, ist es nun gelungen. Wir haben Hindernisse in den Mitgliedstaaten überwunden, die aus Prinzip nichts für die Gleichstellung machen wollten oder die meinten, das Ganze würde sich schon von selbst regeln. Unternehmen in der EU müssen nun für ausgewogene Vorstände und Aufsichtsräte sorgen und wenn sie scheitern, werden wir sie zur Verantwortung ziehen können.“
Nächste Schritte
Nachdem Parlament und Rat die Einigung nun formell gebilligt haben, tritt die Richtlinie 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschriften innerhalb von zwei Jahren umsetzen. Unternehmen müssen die Quoten bis zum 30. Juni 2026 anwenden.
Hintergrundinformationen
Die Europäische Kommission legte ihren Vorschlag erstmals 2012 vor, und das Europäische Parlament nahm seine Verhandlungsposition bereits 2013 an. Das Dossier war im Rat vor allem auf Betreiben Deutschlands fast ein Jahrzehnt lang blockiert, bis sich die Minister*innen für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im März 2022 schließlich auf einen Standpunkt einigten. Die Verhandlungsführer*innen von Parlament und Rat erzielten im Juni eine Einigung.
Zurzeit sind lediglich 30,6 % der Vorstandsmitglieder in den größten börsennotierten Unternehmen der EU Frauen, wobei es in den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede gibt (in Frankreich sind es 45,3 %, in Zypern 8,5 %). Zwar nimmt der Frauenanteil in Vorständen zu, doch Frauen stellen auch 2022 noch immer weniger als 10 % der Vorstandsvorsitzenden bzw. Geschäftsführerinnen der größten börsennotierten Unternehmen in den EU-Staaten.
Titelfoto: Bild von Werner Heiber auf Pixabay
Quelle Europäisches Parlament