Martin Stoya der Werkstattleiter der shoedoc GmbH im Interview
Stellen Sie sich doch bitte kurz unseren Lesern vor!
Ich wollte ein Handwerk ausüben, bei dem ich ein Produkt von Anfang bis Ende selbst fertige. So wurde ich Geselle eines Orthopädieschuhmachers. Dieser Handwerksberuf ist medizinisch-technisch. Ich war allerdings auch immer von der traditionellen Handwerkskunst fasziniert. Mir wurde schnell klar: Ich will mich noch feiner in dieser Nische positionieren.
Also begab ich mich auf die Suche nach Maßschuhmachern und bin dann in Baden-Baden fündig geworden. Dort habe ich über acht Jahre Maßschuhe gefertigt und meinen zukünftigen Geschäftspartner Matthias Vickermann kennengelernt. Gemeinsam gründeten wir 2005 unsere Firma „Vickermann & Stoya“ und halten seither das traditionelle Handwerk aufrecht. Ursprünglich fertigten wir Maßschuhe und reparierten Schuhe unter einem Markendach bis wir 2019 mit der Gründung unseres Reparatur-Service eine klare Linie zogen.
Wir digitalisierten die Handwerkskunst mit unserem Online-Schuhreparatur-Service shoedoc und machen sie für jeden Menschen zugänglich. Vickermann & Stoya fertigt Maßschuhe in der Manufaktur. Beide Unternehmungen profitieren voneinander und sind doch klar getrennt. Diese Differenzierung ist uns sehr wichtig, da wir mit beiden Firmen unterschiedliche Ziele verfolgen und unterschiedliche Kunden ansprechen.
Welches waren für Sie die größten Herausforderungen?
Martin Stoya: Die größte Herausforderung besteht für mich immer wieder darin, das alte Wissen aus dem Traditionshandwerk zu bewahren, auszubauen und weiterzugeben. Das Kunsthandwerk wird zur Seltenheit. Viel von der ursprünglichen Expertise geht verloren. Ich selbst musste mir alles mühsam zusammensuchen und beibringen. Die Erfahrungen und die über Jahre aufgebaute Kompetenz, lasse ich in unsere Unternehmung „Vickermann & Stoya“ einfließen und vertiefe sie auch weiterhin. Die größte Hürde bei der Gründung unserer Maßschuh-Manufaktur war für mich die deutsche Bürokratie. Ich bin Handwerker. In meiner Werkstatt fühle ich mich am wohlsten. Für die administrative Verwaltung braucht man fachkundige Partner. Allein ist das nicht möglich.
Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag von Martin Stoya aus?
Martin Stoya: Ich starte früh morgens in den Tag und organisiere unsere Werkstatt. Die anstehende Arbeit teile ich unter jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter auf. Die Reparaturen arbeiten wir an festen Tagen in der Woche ab. Wir bereiten alles vor und arbeiten dann alles parallel in Serien ab. So haben wir an den restlichen Wochentagen Zeit, um uns in Ruhe um die Fertigung der Maßschuhe zu kümmern. Das Handwerk benötigt besondere Präzision und Hingabe. Dafür planen wir sorgfältig unsere Zeit.
Wer sind in der Regel eure Kunden?
Unsere Maßschuhkunden lieben das Understatement. Der Schuh ist bei den meisten Menschen, das letzte Detail, worauf sie achten. Das gibt allein unsere physiologische Sicht wieder. Doch unsere Kundinnen und Kunden blicken zuerst von unten nach oben. Der Schuh ist für sie das Highlight, das ihrer Garderobe das i-Tüpfelchen verleiht. Sie sind sehr achtsam.
Diese Achtsamkeit legen auch unsere Kundinnen und Kunden des Reparatur-Service shoedoc an den Tag. Der Fast-Fashion Zeitgeist verleitet dazu, Schuhe einfach als Wegwerfware zu betrachten. Doch eine abgelaufene Sohle ist noch lange kein Grund, den ganzen Schuh zu ersetzen. Wir sorgen dafür, dass die Reparatur ganz einfach und digital für jeden zugänglich ist. So unterstützen wir Konsumierende dabei, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Denn wir tragen alle Verantwortung: sozial, ökonomisch und ökologisch. Mit shoedoc sprechen wir jeden Menschen an, der mit uns diesen Weg geht und für eine Kreislaufwirtschaft sorgt.
Wie hat sich euer Unternehmen seit der Gründung verändert?
Martin Stoya: Seit unserer Gründung fertigen wir Maßschuhe und reparieren Schuhe. Als Unternehmen sind wir stark gewachsen. Wir haben mehr Personal und erschließen weitere Märkte. Die Geschäftsidee von shoedoc ist aus dem Wunsch unserer Kundinnen und Kunden entstanden. Wir bedienten schnell nicht nur unsere Bestandskunden, sondern erweiterten unseren Service auch außerhalb unseres regionalen Ladengeschäfts. 2019 gründeten wir dann ein eigenes Unternehmen für Reparaturen: shoedoc GmbH. Shoedoc und seine Schwestermarke PurseNurse bedienen Reparaturanfragen unterschiedlichster Art – egal, ob es sich um Schuhe oder Taschen handelt. Ganz einfach und digital.
Unsere Konzepte sind immer ganzheitlich. Wir fertigen nicht nur Schuhe und bieten Reparaturen an. Wir machen Leute auch auf die Pflege Ihrer Produkte aufmerksam. Mit unseren Schuhpflege-Seminaren vereinen wir Arbeit mit Vergnügen und bieten den Teilnehmenden ein unvergessliches Erlebnis in den Räumlichkeiten unserer Manufaktur.
Heutzutage reicht es nicht mehr, Angebote stupide anzubieten. Es geht darum, die Kunden zu begeistern. Und wenn die Kunden zunehmend digital unterwegs sind, dann holen wir sie genau da mit unserem Service ab.
Welche Vision steckt hinter shoedoc?
Martin Stoya: Mit unserem Online-Schuhreparatur-Service sprechen wir uns ganz klar gegen das Fast-Fashion-Zeitalter aus. Schuhe lange zu tragen, ist der nachhaltigste Umgang mit ihnen. Das garantieren wir. Mit unserer Reparatur verdoppeln wir die Lebensdauer der Schuhe. Durch unseren digitalisierten Prozess machen wir es Verbraucherinnen und Verbrauchern ganz einfach, eine nachhaltige Entscheidung zu treffen. Unser Reparatur-Service ist für jeden leicht zugänglich – egal von wo. Easy, per Click.
Was ist euer USP? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Unsere Kundinnen und Kunden profitieren von unserer Expertise, die wir über die Jahre in unserer Maßschuhmanufaktur aufgebaut haben. Bei uns bekommen sie vom Stiftabsatz bis zur Komplettreparatur oder Individualisierung alles, was ihr Herz begehrt. Der Wettbewerb bietet Reparaturen für lediglich ein bestimmtes Produkt oder nur dessen Pflege an. Bei uns erhalten Kunden den Full-Service und die crossmediale Kommunikation. Wir pflegen den Kontakt zum Kunden über Whatsapp-Nachrichten, telefonisch oder schriftlich per E-Mail.
Und wenn’s mal nicht um Schuhe geht, kümmern wir uns mit unserer dazugehörigen Schwestermarke PurseNurse sorgfältig um alle Taschen. Egal, ob aus Leder oder anderen Materialien.
Wie funktioniert shoedoc? Wo liegen die Vorteile?
Martin Stoya: Mit unserem Webshop shoedoc.de ermöglichen wir die Reparatur online. Interessenten wählen ihr Schuhmodell und die entsprechende Reparatur aus. Absatz, Sohle oder Fersenfutter – bei uns ist alles dabei. Zusätzlich bieten wir unsere Shoedoc-Box an, sodass der Kunde nur noch seine Schuhe in die Versandbox legt. Um alles andere kümmern wir uns.
Wie ist das Feedback?
Interessenten nehmen das Angebot dankend an und werden schnell zu Kunden. Wir erhalten viele Anfragen, weil kein Schuhmacher mehr vor Ort existiert. Viele Menschen sind sehr dankbar, dass wir ihnen diesen Service bieten.
Wie sehen Sie die wirtschaftlichen Gegebenheiten für die nächsten 12-24 Monate?
Martin Stoya: Sehr spannend. Es wird immer wichtiger, Interessenten zu Kunden zu gewinnen. Die alleinige Präsenz reicht heute nicht mehr aus. Jeder von uns ist ein mündiger Entscheider. Die Digitalisierung beschleunigt. Jeder Konsumierende hat die Qual der Wahl. Es wird zunehmend schwieriger, aus der Masse herauszustechen. Wir bieten unseren Reparatur-Service an und sensibilisieren zeitgleich unsere Kundinnen und Kunden für relevante Themen unserer Zeit. Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind nur einige Stichwörter, die ich hier nenne. Wir differenzieren uns mit unserer Serviceleistung von bestehenden Angeboten, indem wir immer über unseren Tellerrand hinausschauen. Wir sind Allrounder. Wir lernen gerne dazu und erweitern stetig unser Repertoire, so dass jede Anfrage bearbeitet werden kann. Nichts ist so beständig wie der Wandel.
Wir haben heute einen signifikanten Fachkräftemangel, wie können Unternehmen dieses Problem lösen?
Martin Stoya: Die Aufgabe von Unternehmen ist es, sich als attraktive Arbeitgebermarke zu positionieren. Unsere Zukunft liegt in den Händen des Nachwuches. Unsere Aufgabe ist es, das Interesse von dieser Zielgruppe zu gewinnen. Wir müssen uns mit den Themen befassen, die sie beschäftigen. Sie über die Kanäle erreichen, die sie nutzen. Viele handwerkliche Betriebe verschlafen leider die Digitalisierung. Das zeichnet sich auch in der Gewinnung neuer Fachkräfte ab. Wir bilden in unserer Manufaktur ebenfalls selbst aus und bieten auch Quereinsteigern die Möglichkeit sich bei uns zu qualifizieren.
Welche drei Tipps haben Sie für Junge Gründer?
Ich rate Gründerinnen und Gründern, dass sie sich nicht verzetteln sollen. Kümmert euch um das, was ihr könnt, und holt euch für alles andere Hilfe. Sucht euch rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Support und pflegt diese Kontakte.
Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?
Martin Stoya: Ich gebe mein Wissen sehr gerne weiter. Ich bilde den Nachwuchs aus, lerne Quereinsteiger ein und führe die Werkstattleitung fort. Mir ist wichtig, dass meine Kolleginnen und Kollegen autark arbeiten können. Dazu ist es nötig, dass ich den Mitarbeitenden den Raum zu ihrer Entwicklung gewähre. Wachstum und Entfaltung unterstütze ich mit meinem Herzblut.
Wir bedanken uns bei Martin Stoya für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder