Farnborough, 18. Jul (Reuters) – Ein milliardenschwerer Auftrag den für Flugzeugbauer Boeing und Anzeichen für eine britisch-japanische Zusammenarbeit bei Kampfflugzeugen haben der Branche zum Start der Luftfahrtmesse in Farnborough Auftrieb gegeben. Nach über zwei Jahren Gegenwind durch die Virus-Pandemie setzt die Luftfahrt auf bessere Zeiten – muss sich aber mit dem Flugchaos in weiten Teilen Europas auseinandersetzen. Emirates-Chef Tim Clark geht davon aus, dass die Luftfahrtindustrie erst 2023 wieder ins Gleichgewicht kommt und bis dahin durchhalten muss. Die Messe findet abwechselnd mit Paris statt und ist die erste südwestlich von London seit 2019. Wegen des Krieges in der Ukraine dürften auch steigende Verteidigungsausgaben im Mittelpunkt stehen.
Reuters berichtete vorige Woche unter Berufung auf Insider, dass Großbritannien und Japan kurz vor einer Einigung stehen, ihre Tempest- und F-X-Kampfjetprogramme der nächsten Generation zusammenzulegen, um Kosten zu sparen. Großbritannien erklärte nun am Montag, dass es mit Japan und dem bestehenden Partner Italien an seinem Kampfjetprogramm zusammenarbeite. Dabei soll eine gemeinsame Konzeptanalyse bis Ende des Jahres zu Entscheidungen über eine engere Partnerschaft führen. „Ich glaube fest an das Potenzial unserer aufkeimenden Partnerschaft, nicht nur mit Italien, sondern auch mit Japan“, sagte der scheidende britische Regierungschef Boris Johnson in seiner Eröffnungsrede auf der Messe.
DELTA-GROSSAUFTRAG – 100 BOEING-FLUGZEUGE 737 MAX 10
Im zivilen Bereich gab sich der US-Konzern Boeing, der unter Druck steht, den Rückstand auf den europäischen Konkurrenten Airbus aufzuholen, trotz schwächelnder Weltwirtschaft zuversichtlich zur Flugzeugnachfrage. „Ich denke, wir werden den Ruhm der alten Tage wiedererlangen – und noch einiges mehr“, sagte Boeing-Chef Dave Calhoun zu CNBC und fügte hinzu, dass er die Wirtschaft genau im Auge behalte. „Im Moment genieße ich die robuste Nachfrage, die wir sehen.“
Delta Air Lines bestätigte am Montag den Kauf von 100 Boeing-Maschinen des Typs 737 MAX 10 im Wert von 13,5 Milliarden Dollar zu Listenpreisen und hat eine Option auf den Kauf weiterer 30 Flugzeuge. Die Aktien von Boeing lagen im frühen Handel rund vier Prozent im Plus, während die Delta-Papiere rund fünf Prozent zulegten.
Die indische Fluggesellschaft Jet Airways steht derweil kurz vor dem Abschluss einer Vereinbarung über den Kauf von 50 A220-Jets von Airbus, wie zwei mit der Sache vertraute Personen sagten. Der Airline-Vorstand sollte noch am Montag grünes Licht für das Geschäft geben.
FRUST ÜBER LANGE WARTEZEITEN BEI FLUGZEUGAUSLIEFERUNGEN
Die Nachfrage nach Jets erreichte 2016 ihren Höhepunkt, blieb aber hoch, bis die Pandemie den Luftverkehr 2020 lahmlegte. Jetzt erholt sich der Reiseverkehr, die Passagiere stehen Schlange und einige Flugzeuge sind wieder gefragt. Doch die Großaufträge aus der Vergangenheit sind seltener geworden. Denn die Airlines müssen nach den Verlusten durch die Virus-Krise noch ihre finanziellen Wunden lecken.
Airbus setzt trotz Materialknappheit weiter darauf, 2022 wie geplant 720 Flugzeuge zu liefern. „Auf keinen Fall“ sei jetzt zur Jahresmitte die Zeit gekommen, das Ziel aufzugeben, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury der „Süddeutschen Zeitung“. „Unsere Teams arbeiten mit Hochdruck.“ Ob die angepeilte Produktion gelinge, werde man erst am 31. Dezember wissen. „Die Triebwerkshersteller sagen uns, dass sie aufholen werden.“
Die Airline-Lobby IATA gab sich frustriert zu Verzögerungen bei der Auslieferung von Flugzeugen und zu Problemen wie den Zugang zu Ersatzteilen. „Ich denke, die Hersteller hätten die Nachfrageflaute der letzten zwei Jahre besser nutzen sollen, um besser auf den Aufschwung vorbereitet zu sein“, sagte IATA-Generaldirektor Willie Walsh im Reuters-Interview.
Die angeschlagene Fluggesellschaft SAS warnte angesichts des Pilotenstreiks seit dem 4. Juli davor, dass die Zeit in Gesprächen mit den Gewerkschaften ablaufe. „Wir nähern uns einem Punkt, an dem ich als Verhandlungsführerin zugeben muss, dass wir jetzt nicht mehr weiter können“, sagte Marianne Hernaes. Einer der Gewerkschaftsvertreter sagte, er hoffe noch auf eine Lösung. Anleger rechnen offenbar mit einer baldigen Einigung, da die SAS-Aktie mit 20 Prozent vorübergehend einen der größten Kurssprünge der Firmengeschichte hinlegte.
Luftfahrtmesse in Farnborough – Holpriger Branchen-Neustart nach Corona
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