Eine aktuelle Marktanalyse von Audun Wickstrand Iversen, Portfoliomanager bei DNB Asset Management:
- LS-E-Commerce für ein vollständig digitales Einkaufserlebnis
- Zuverlässigkeit, Kosten und Geschwindigkeit sind treibende Faktoren bei der letzten Meile
- R2-Roboter von Nuro für kommerzielle Auslieferung zugelassen
Das Wachstum im E-Commerce-Bereich ist von plus 20 % in den letzten Jahren zu einem geschätzten Wachstum von 5-8 % in den nächsten Jahren zurückgegangen. Die strukturelle Wachstumsstory ist aber nach wie vor intakt. Allerdings wird sich der Wettbewerb verschärfen, da E-Commerce-Unternehmen um begrenzte Ressourcen kämpfen. In diesem Wirtschaftsklima werden zwei „grundlegende“ Trends an Bedeutung gewinnen: innovative Technologien zur Gewinnung und Bindung von Kunden sowie eine effizientere Lieferung von Waren.
In den vergangenen Jahren ist aufgrund der Einführung des Highspeed-Internets und leistungsfähigen mobilen Geräten eine neue Art des Online-Shoppings entstanden. LS-E-Commerce, das für Live und Streaming steht, – wird zunehmend als Faktor herangezogen, um das Online-Shopping und die Zukunft der digitalen Werbung zu analysieren. LS-E-Commerce wurde 2016 in China von Taobao (Alibaba) entwickelt und hat sich in den letzten Jahren über China hinaus auf den Rest der Welt ausgedehnt.
LS-E-Commerce-Inhalte umfassen Streams von Händlern und Vermarktern, welche mit Usern in Kontakt treten, um verschiedene Produkte in Echtzeit zu promoten. Durch Livestreaming können die E-Commerce-Unternehmen ein Produkt ausführlich vorstellen, so dass sich die potenziellen Käufer mit den Produkten vertraut machen können. Darüber hinaus können Verkäufer Verbraucheranfragen live beantworten. Unternehmen wie Google, Amazon und Meta investieren aktuell viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung des LS-E-Commerce. Dies sind erste Schritte auf dem Weg zu einem vollständig digitalen Einkaufserlebnis für die Kunden. Zusätzlich zum LS-E-Commerce ist der Einsatz von Virtual-Reality-Headsets und Plattformen wie Roblox und Meta zu beobachten.
„Gig“-Lieferdienste machen UPS und FedEx Konkurrenz
Der zweite „grundlegende“ Trend beim E-Commerce betrifft das Ökosystem der Warenlieferungen an die Kunden. Bei der „letzten Meile“ handelt es sich um die Beförderung von Waren vom Lager bis zum Bestimmungsort des Kunden. Als Faustregel gelten Kosten von 8-10 USD pro Lieferung. Dies ist ein Engpass für die E-Commerce-Branche und wird oft als der Heilige Gral bezeichnet.
Es gibt jedoch einige neue Trends aus den USA. Ein aufkommender Trend im Einzelhandel ist die Nutzung von „Gig“-Lieferdiensten, z. B. DoorDash, Uber, Lyft, Instacart, für die Zustellung von Paketen auf der letzten Meile. Die Kosten für die Zustellung liegen mit rund 5 US-Dollar pro Bestellung unter den Gebühren etablierter nationaler Spediteure wie UPS und FedEx. Außerdem ist der Zustellungsprozess deutlich schneller und ermöglicht Lieferungen am selben Tag. Auf diese Weise können kleinere Einzelhändler ihre bestehende Geschäftsausstattung und den Warenbestand optimieren.
Die Verlagerung der Zustellung auf der letzten Meile vom Gaststättengewerbe zu Konsumgütern ist ein gutes Beispiel, da das riesige Netzwerk von „Gig“-Arbeitern dieselbe Fähigkeit wie Amazon, UPS und FedEx aufgebaut hat. DoorDash hatte im Jahr 2021 rund 100 Millionen Nicht-Restaurant-Lieferungen und 1300 Millionen Restaurant-Lieferungen. Gig-Liefernetzwerke wie DoorDash können von einem erhöhten Paketvolumen und einer größeren Streckendichte profitieren, wobei der Trend zu geringeren Kosten und höherer Geschwindigkeit führt. Diese Lösungen haben sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits etabliert.
Bei der letzten Meile ging es schon immer um Zuverlässigkeit, Kosten und Geschwindigkeit. In naher Zukunft wird die Automatisierung in der Luft liegen. In mehreren städtischen Gebieten gibt es Initiativen für fahrerlose Lieferdrohnen, die Straßen und/oder Gehwege als Teil des Lieferprozesses nutzen. In ländlichen Gebieten und Vorstädten mit einer geringeren Dichte von Häusern und Wohnungen ist ein ähnlicher Trend zur Entwicklung von Lieferdrohnen zu beobachten. Beide Liefertechnologien befinden sich in der Phase der späten Erprobung oder frühen Kommerzialisierung.
Erste Zulassung für kommerzielle Auslieferung in Kalifornien
Ein autonomes Fahrzeug ist in der Lage, selbständig vom Ausgangspunkt (Lager) zu einem vorher festgelegten Ziel (Kunde) zu fahren. Diese Fahrzeuge verfügen über eine Karte ihrer Umgebung und stützen sich auf eine Vielzahl von Sensoren, Radaren und Videokameras. Nuro ist ein kleines Unternehmen mit Sitz in Kalifornien, welches das tägliche Leben durch Robotik verbessern will, insbesondere durch weniger Fahrten. Die von Nuro vorgeschlagene Lösung ist der R2-Roboter.
Er ist das erste vollständig autonome Fahrzeug ohne Insassen, das vom US-Verkehrsministerium für die kommerzielle Auslieferung zugelassen wurde. Im April 2021 ging das Unternehmen eine Partnerschaft mit Domino’s ein, um Kunden in Houston autonom mit Pizza zu beliefern. Zwei Monate später startete Nuro eine Partnerschaft mit FedEx. Fedex wird den R2 als neues Fahrzeug für die Zustellung auf der letzten Meile einsetzen. Nuro kartiert derzeit Los Angeles im Rahmen eines Tests für autonome Fahrzeuge in der Region LA, wobei die Prius-Fahrzeugflotte zum Einsatz kommt. Wird 2023 bereits das Jahr der Markteinführung in der genannten Region sein?
Ein weiteres bekanntes Lieferunternehmen ist Starship Technologies. Es unterhält Partnerschaften mit Unternehmen wie Mercedes, ist aber vor allem für die Zustellung von Lebensmitteln in Universitätsgebieten bekannt. Starship Technologies hat bereits Zehntausende von autonomen Lieferungen auf Universitätsgeländen in den USA und der EU durchgeführt.
Auch die Zoox-Familie von Amazon gehört zu den Unternehmen, die auf autonomes Fahren setzen. Das Herzstück der autonomen Lösung von Zoox ist das firmeneigene autonome Fahrzeug für den Transport von Menschen (Robotaxi). Amazon will die Erkenntnisse von Zoox auf die autonomen Roboter in seinen Lagerhäusern anwenden, die als Amazon Scout bekannt sind – ein selbstfahrender Lieferroboter.
Emissionsfreie und günstigere Lieferungen
Wie nicht anders zu erwarten, sind mit diesen technologischen Neuerungen verschiedene Probleme verbunden – Regulierung, Datenschutz, Sicherheit, Lärm usw. Diese Dienste können jedoch emissionsfrei arbeiten und die Lieferkosten pro Einheit senken. Darüber hinaus bieten die schnellen Lieferungen einen effizienteren Service für die Kunden. Die Kerndefinition von Disruptionen besagt, dass man immer niedrigere Kosten und höhere Effizienz finden wird. Im elektronischen Einzelhandel wird der Kontakt mit den Kunden durch die Entwicklung der LS-Technologie immer „zugänglicher“. Dies gilt auch für die Lieferungen, bei denen in Zukunft kürzere Lieferzeiten und ein entscheidender Trend zur Automatisierung zu beobachten sein werden.
Livestreaming und Gig-Lieferung: Der E-Commerce geht in die nächste Phase
Foto von Audun Wickstrand-Iversen (Quelle: DNB AM)
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