Berlin/Frankfurt, 14. Feb – Gesundheitsminister Karl Lauterbach will den Medikamentenmangel mit einer teilweisen Aushebelung von Festbeträgen und der Reform von Rabattverträgen beseitigen. Künftig sollen Preisaufschläge von 50 Prozent auf bestimmte Medikamente möglich sein, geht aus einem am Dienstag verbreiteten Referenten-Entwurf des Gesundheitsministeriums hervor. Dadurch sollen gesetzliche Krankenkassen zu teureren Einkäufen berechtigt werden. Zudem ist ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen geplant. Pharmaverbände kritisierten umgehend die Vorhaben.
Lauterbach hatte im Dezember Eckpunkte vorgelegt, wie der Medikamentenmangel vor allem für Kinder behoben werden kann. Die Arbeiten am Gesetzentwurf hatten sich aber innerhalb der Ampel-Koalition nach Angaben aus Regierungskreisen wegen des Widerstands etwa des FDP-geführten Justizministeriums verzögert. Ziel des Papiers war laut Lauterbach auch, einen Teil der Medikamentenproduktion wieder nach Deutschland und Europa zurückzuholen, auch wenn dies Preissteigerungen mit sich bringt.
MEHRAUSGABEN IN MILLIONENHÖHE FÜR KRANKENKASSEN
Durch die Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln dürften auf die gesetzlichen Krankenversicherungen geschätzte jährliche Mehrausgaben von 160 Millionen Euro zukommen. Im Referenten-Entwurf ist insgesamt von mehreren hundert Millionen Euro Zusatzkosten für die Gesetzliche Krankenversicherung, aber auch von einmalig rund 100 Millionen Euro für Krankenhäuser und krankenhausversorgenden Apotheken die Rede, die mehr Arzneimittel bevorraten sollen.
Als Grund für die Versorgungsprobleme gilt unter anderem, dass die Krankenkassen bisher beim Kauf patentfreier Generika darauf dringen, den billigsten Anbieter auszuwählen. Das führte zur Abhängigkeit von wenigen, billigeren Anbietern in Asien. Lauterbach will deshalb als Kernstück der Reform eine Liste von Arzneimitteln insbesondere zur Behandlung von Kindern bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres erstellen lassen. Für diese kann der Bund die Preisbindung der Krankenkassen aufheben, so dass der Preis dann um bis zu 50 Prozent vom zuletzt geltenden Festbetrag angehoben werden kann. Bei Rabattverträgen soll zudem auch berücksichtigt werden, ob Wirkstoffe „versorgungsnah innerhalb der EU oder in den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes“ hergestellt werden. So soll eine langfristige bedarfsgerechte Versorgung auch in Krisenzeiten sichergestellt werden.
PROTESTE DER INDUSTRIE
Die Pharmaindustrie kritisierte den Entwurf. „Ein umfassender Ansatz zur Verbesserung der Situation sieht anders aus. Punktuelle Korrekturen und zusätzliche Belastungen für die Hersteller sind keine Lösung für die großen Herausforderungen“, erklärte Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). „Sie werden nicht zu einer Verringerung von Abhängigkeiten und einer erhöhten Versorgungssicherheit führen.“ Eine umfassende Überprüfung der Ausschreibepraxis bei Rabattverträgen fehle völlig.
Der Branchenverband Pro Generika bemängelte, dass der Gesetzesentwurf zunächst nur die Sicherstellung von Krebsmedikamenten und Antibiotika in Angriff nimmt. „Diese aber machen zusammen gerade einmal 1,1 Prozent aller Arzneimittel (…) aus. Ich frage mich: Wie erklärt die Politik einer Diabetespatientin, dass ihre Versorgung weniger verlässlich sein muss als die eines Anderen?“, erklärte Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer. Die Maßnahmen müssten für alle Generika gelten, um zu verhindern, dass weitere Unternehmen aus der Produktion aussteigen.
Lauterbach will Festpreise im Kampf gegen Medikamentenmangel lockern
Quelle: Reuters
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