Donnerstag, November 21, 2024
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Krypto-Währungen und der Verkauf beschlagnahmter Vermögenswerte – Interview

Ein Interview mit den beiden Rechtsanwälten Dr. Cornelius Hille und Dr. Tobias Bauerfeind, Ashurst LLP, Frankfurt a.M.

In Dresden hat sich mit beschlagnahmten Kryptowährungen eine enorme Summe ergeben, die von den Polizeibehörden verwaltet wird. Wie werden solche Vermögenswerte nun gehandelt? Gibt es schon vergleichbare Fälle?

Der neue Schatz der Sachsen! Es handelt sich dabei um circa 50.000 Bitcoins (im aktuellen Gegenwert von rund drei Milliarden Euro), die einer der Betreiber der illegalen Streaming-Plattform „movie2k“ über die Jahre angehäuft hatte und nach seiner Festnahme dem Freistaat bzw. dem Bundeskriminalamt (freiwillig – zwecks erhoffter Strafmilderung) übertragen hat. Die Bitcoins werden in einer sog. Wallet des BKA verwahrt. Grundsätzlich könnte Sachsen diese weiter halten und im Wege einer Anlagestrategie auf Kurszuwächse samt Risikoabsicherung und „Währungs-„Reserve setzen. Augenscheinlich hat man sich aber für einen (jedenfalls teilweisen und mitunter dilettantisch anmutenden) Abverkauf als Block Trades über verschiedene Börsen und OTC entschieden, auch wenn sich die sächsischen Behörden zu ihrer „Strategie“ ausschweigen. Die verfügbaren Informationen stammen primär von privaten Kryptoanalyseunternehmen. Die Verwertung bzw. Veräußerung von beschlagnahmten Vermögenswerten ist grundsätzlich der (prozessuale) Regelfall.

Vergleichbare Fälle finden sich vor allem in den USA. Dort versteigert eine Strafverfolgungsbehörde innerhalb des US-Justizministeriums regelmäßig ihre Bestände an Kryptowährungen. Aber auch hier sind die Kritikpunkte ähnlich gelagert wie in Sachsen: fehlende behördliche Transparenz, zu hohe Transaktionskosten, zu geringer Marktpreis wegen der oft hohen Volatilität und Schaffung eines Marktpreisrisikos wegen der großvolumigen Block Trades.

Die Behörden kommunizieren nach Medienberichten recht sparsam. Fällt das noch unter Sicherheitsbedenken und Geheimhaltung?

Generell äußern sich deutsche Strafverfolgungsbehörden nicht zu „laufenden (Straf-)Verfahren“. Auf der anderen Seite reicht, wie so häufig am Kapitalmarkt, bereits die bloße Ankündigung eines groß angelegten Verkaufs aus, um einen (Börsen-)Kurs massiv unter Druck zu setzen. Ob in einer Demokratie allerdings ein (ausländisches) Privatunternehmen auf die Verkäufe aufmerksam machen sollte, darf insoweit angezweifelt werden. Schließlich generiert man durch diese Art von Heimlichtuerei nur noch mehr Gerüchte und Preisdruck. Aktuell kursiert diesbezüglich anscheinend eine Kleine Anfrage eines Abgeordneten an die Landesregierung, deren Antwort aber noch aussteht.

Der Kurs der Kryptowährung Bitcoin fällt aktuell – man vermutet einen Zusammenhang mit dem Fall in Sachsen. Muss man von einem „Crash“ sprechen?

Nein, um einen „Crash“ handelt es sich nicht, eher um eine temporäre Kurskorrektur; auch weil global zwei insoweit kurskorrigierende Ereignisse fast zeitgleich stattfinden, die sehr plötzlich sehr viele Bitcoins auf den Markt spülen. Neben dem sächsischen Bitcoin-Schatz, der circa 0,25% des weltweiten Bitcoins ausmacht, werden zurzeit frühere Anleger der 2014 kollabierten Bitcoin-Börse Mt. Gox ausbezahlt.

Gibt es in dem Zusammenhang sogar mögliche rechtliche Konsequenzen, wenn ein solcher „Markteingriff“ von staatlicher Seite erfolgt?

Nein. Grundsätzlich regeln die jeweils einschlägigen Haushaltsordnungen, wie der Staat bzw. die Länder Vermögensgegenstände nutzen, erwerben und veräußern dürfen – trockenes Verwaltungsrecht!

Kryptogeschäfte scheinen eine gewisse geheimnisvolle Aura zu besitzen. Inwieweit sind solche Transaktionen mit der aktuellen Gesetzgebung im Einklang und unproblematisch?

In Deutschland, und bald in der gesamten EU, gelten bereits strenge regulatorische Regeln in Bezug auf Kryptowährungen wie Bitcoin, inklusive deren digitaler Verwahrung. Hier versuchte zunächst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Kryptoregulierung durch die Hintertür, bis ein Gericht der Behörde das zurecht untersagte – Recht setzt nur der Gesetzgeber. Letzterer wurde so dann tätig und änderte das Kreditwesengesetz (KWG) mit einem Pinselstrich, wonach „Kryptowerte“ fortan als Finanzinstrumente reguliert waren und mit ihnen sämtliche zugrundeliegenden Finanzdienstleistungen.

Auf EU-Ebene gibt es die sog. „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (oder kurz MiCAR), die als Verordnung mehrheitlich ab Ende Dezember 2024 unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat Anwendung finden wird; in Teilen gilt sie sogar bereits. MiCAR regelt erstmals verbindlich (man nennt es „vollharmonisiert“) alles rund um Kryptowerte im gesamten EU-Binnenmarkt. Das soll insoweit regulatorische Arbitrage, also die Ausnutzung von Regelunterschieden zwischen einzelnen Ländern, ausschließen. Für Drittstaaten (d.h. alle Nicht-EU-Länder) gilt dies nicht.

Und Gewinne aus Geschäften mit Bitcoin sind natürlich grundsätzlich steuerpflichtig.

Die Vergangenheit zeigt, dass Kryptogeschäfte auch bei kriminellen Machenschaften wie Geldwäsche genutzt werden. Was tut sich in dem Bereich auf Seiten der EU und speziell Deutschland?

Neben der gerade erwähnten Instituts- und Produktregulierung gemäß KWG und MiCAR unterfallen (regulierte) Anbieter von Kryptowährungen grundsätzlich auch den Vorschriften zur Geldwäscheprävention. Auch in dieser Hinsicht war Deutschland Vorreiter in der EU. Finanzdienstleister mit Kryptoangeboten müssen ihre Kunden, wie jede andere „normale“ Bank, gemäß Geldwäschegesetz (GwG) identifizieren und verifizieren, d.h. der sog. „KYC“-Pflicht genügen (was für „Know Your Customer“ steht).

In diesem Jahr wurde auf EU-Ebene ein umfassendes Anti-Money Laundering (AML)-Paket verabschiedet, welches die anwendbaren Regeln über die AML-Verordnung nicht nur weitestgehend harmonisiert, sondern mittels der sog. „Travel Rule“ zur Rückverfolgung von Transaktionen weiter verschärft. Von dem neuen AML-Regime sind regulierte Anbieter von Kryptowährungen gemäß MiCAR ebenfalls vollständig erfasst.

Ein anderer Fall: In Japan gibt es nach einem Zusammenbruch einer Kryptobörse scheinbar Entschädigungszahlungen. Wie ist ein solches Vorhaben umzusetzen? Was sind die juristischen Herausforderungen?

Sie sprechen den oben bereits kurz erwähnten Fall der japanischen Kryptobörse Mt. Gox an, die 2014 u.a. nach Hackerangriffen zusammenbrach. Der Treuhänder von Mt. Gox begann kürzlich Auszahlungen in Bitcoin und Cash an einige frühere Gläubiger zu leisten. Nach der Insolvenzanmeldung vor zehn Jahren wurden zwischenzeitlich circa 140.000 der verschwundenen Bitcoins wiederbeschafft, was bedeutet, dass Bitcoins im Wert von rund 9 Milliarden Dollar an ihre Besitzer zurückgegeben werden (etwa 0,7% des weltweiten Bitcoin-Bestands). Rechtlich folgt das Prozedere stumpf dem lokalen Insolvenzrecht. Den Sanierungsplan für Mt. Gox genehmigte bspw. ein Bezirksgericht in Tokio.

Wenn die Kryptomärkte und weltweiten Transaktionen weiter wachsen – sind einheitliche Regelungen fällig und nationale Alleingänge bald vorbei? Wie sieht eine wirklich wirksame internationale Kontrolle aus?

Zumindest innerhalb der EU sind Alleingänge (wie z.B. der deutsche) mit Inkrafttreten der MiCAR (bald) vorbei. Für Drittstaaten (wie post-Brexit UK) bedeutet die EU-Regulierung erst einmal nichts. Möchte ein Drittstaaten-Kryptodienstleister allerdings in der Union Geschäfte machen, zwingt ihn das EU-Recht in die europäische Regulierung hinein; das nennt man „Marktortprinzip“. Idealerweise orientieren sich zukünftig andere Staaten an der EU-Kryptoregulierung. Global einheitliche Regeln sind aber nicht zu erwarten; das hat bereits im Steuerrecht bekanntlich nicht funktioniert.

Die Autoren sind Aufsichtsrechtler und beraten u.a. zu den regulatorischen Herausforderungen rund um Krypto und DLT.

Dr. Cornelius Hille

Dr. Cornelius Hille ist Rechtsanwalt und Associate im Finanzaufsichtsrecht bei Ashurst LLP in Frankfurt am Main. Er berät zum allgemeinen Aufsichtsrecht und schwerpunktmäßig Verpflichtete in allen Belangen des Rechts der Geldwäscheprävention.

Dr. Tobias Bauerfeind, LL.M. (Oxford Brookes)

Dr. Tobias Bauerfeind ist Rechtsanwalt und Senior Associate im Finanzaufsichtsrecht bei Ashurst LLP in Frankfurt am Main und berät insbesondere zum Bankaufsichtsrecht.

Titelfoto: Collage: thepublishergang.com

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