Berlin, 15. Feb (Reuters) – Trotz Omikron-Welle und Ukraine-Krise blicken Börsenprofis zuversichtlicher auf die Konjunktur in Deutschland. Das Barometer für die Einschätzung der nächsten sechs Monate stieg im Februar um 2,6 auf 54,3 Punkte und damit das zweite Mal in Folge, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 173 Analysten und Anlegern mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem etwas kräftigeren Anstieg auf 55,0 Zähler gerechnet.
Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank verweist darauf, dass die bereits gestiegenen Kapitalmarktzinsen und die geopolitischen Unsicherheiten an der Ostgrenze der Ukraine auch die vom ZEW befragten Analysten umtreibe: „Zu vermuten ist, dass ohne diese beiden Faktoren ein wesentlich deutlicherer Anstieg der ZEW-Konjunkturerwartungen zu vermelden gewesen wäre.“
Nach Ansicht von DZ Bank-Chefvolkswirt Michael Holstein lastet die Ukraine-Krise „wie ein Mühlstein“ auf der Stimmung an den internationalen Märkten: „Zudem belasten die hohen Energiepreise und die gestiegenen Inflationsraten den Ausblick ebenso wie die Erwartung allmählich steigender Zinsen in den USA und im Euro-Raum.“
BÖRSIANER MIT ZINSFANTASIEN
Laut ZEW-Präsident Achim Wambach gehen die befragten Börsianer weiterhin von einer zurückgehenden Inflation aus, allerdings langsamer und von einem höheren Niveau aus, verglichen mit den Erwartungen der Vormonate: „Als Folge rechnen inzwischen mehr als 50 Prozent der Expertinnen und Experten mit einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen im Eurogebiet in den nächsten sechs Monaten“, erklärte Wambach.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde jedoch keinen abrupten Richtungswechsel einleiten. Jede Anpassung der Geldpolitik werde „graduell sein“, sagte sie jüngst im Europa-Parlament in Straßburg. An den Börsen waren zuletzt Zinsspekulationen ins Kraut geschossen. Dort wurde sogar von Erhöhungen bis Dezember von insgesamt einem halben Prozentpunkt ausgegangen. Lagarde hatte Anfang Februar die Tür für einen eventuellen Zinsschritt noch in diesem Jahr einen Spalt weit geöffnet.
Anlass ist die überraschend zu Jahresbeginn weiter gestiegene Inflation: Die Teuerung in der Euro-Zone war im Januar auf einen neuen Rekordwert von 5,1 Prozent geklettert und hatte damit nicht nur viele Experten, sondern auch die Währungshüter auf dem falschen Fuß erwischt.
Trotz der stark erhöhten Inflation hielt sich die Euro-Zone vor der Jahreswende im Wachstumsbereich: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Oktober bis Dezember um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Im Sommer war das BIP allerdings noch um 2,3 Prozent gewachsen. Ende des vergangenen Jahres hat sich die Konjunkturlage allerdings eingetrübt. Lieferprobleme, steigende Preise und das Aufkommen der neuen Coronavirus-Mutante Omikron setzten der Wirtschaft zu. Das deutsche BIP schrumpfte im vierten Quartal um 0,7 Prozent.
Laut ZEW-Präsident Wambach rechnen die von seinem Institut befragten Börsenprofis mit einer Entspannung bei den Corona-bedingten Einschränkungen. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht den Höhepunkt der Omikron-Welle nun überschritten. Deshalb seien „maßvolle Lockerungen“ möglich.
Konjunkturzuversicht unter Börsianern steigt trotz Ukraine-Krise
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