Berlin/Moskau, 23. Feb – Die russische Wirtschaft steht laut IW-Institut immer mehr im Zeichen des Konflikts mit der Ukraine. „De facto ist Russland zu einer Kriegswirtschaft geworden“, heißt es in einer Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlag. Auch umfassende westliche Sanktionen hätten Russland zwar wirtschaftlich offenbar geschwächt, jedoch nicht in die Knie gezwungen. „Da ein Ende des Krieges momentan nicht absehbar erscheint und das Entkoppeln des Westens von Russland immer weiter voranschreitet, wird Russland aber zukünftig mit steigenden Ausgaben und sinkenden Einnahmen haushalten müssen.“ Die aktuelle Planung des russischen Staatshaushaltes zeige deutlich eine Hinwendung zu „einer von Verteidigungs- und Sozialpolitik geleiteten Kriegswirtschaft – sogenannter Guns-and-Butter Strategie“.
Die Absicht dabei sei klar: „außenpolitisch auf militärische Stärke setzten und innenpolitisch den sozialen Frieden durch Sozialpolitik wahren und durch Repression Proteste und Opposition im Keim ersticken“. Um diese Strategie finanzieren zu können, stiegen die Ausgaben im russischen Haushalt insgesamt um 14 Prozent bis 2025 im Vergleich zu 2022. Dabei kletterten Russlands Ausgaben allein 2023 für innere und äußere Sicherheit binnen Jahresfrist um ein Viertel auf 124,7 Milliarden Euro, denen Einnahmeausfälle von Öl- und Gasexporten von 35,5 Milliarden Euro gegenüberstünden.
Zur Etat-Finanzierung würden mehr Schulden aufgenommen als in den Vorjahren. Der Schuldendienst steigt demnach 2025 um knapp ein Drittel zu 2022 auf über 21 Milliarden Euro. Russland wird es laut IW dennoch und trotz der Einschränkungen auf internationalen Kapitalmärkten aber wohl gelingen, zahlungsfähig zu bleiben. Denn das Land könnte von Reserven schöpfen, die es in Zeiten hoher Kapitalzuflüsse aufgebaut habe.
WIRTSCHAFT SCHRUMPFT WOHL 2023 – LANGER WEG ZU ALTER STÄRKE
„Um Putins Kriegsmaschinerie weiter zu schwächen, muss daher der wirtschaftliche Druck durch Sanktionen aufrechterhalten und international ausgebaut werden“, erklärte das arbeitgebernahe Institut. Gerade die asiatischen Demokratien hätten sich dem Energieembargo noch nicht angeschlossen, was angesichts der hohen Abhängigkeit Russlands von den Exporteinnahmen ein wichtiger Schritt wäre. Zudem müssten Schlupflöcher zur Umgehung der Sanktionen gestopft und westliche Re-Exporte dabei strenger überwacht werden, betonten die Ökonominnen und Ökonomen.
Russlands Wirtschaft war 2022 nach offiziellen Angaben um 2,1 Prozent geschrumpft und hat sich damit besser geschlagen als von vielen Fachleuten angenommen. „Die Aussichten sind jedoch herausfordernd. Wir erwarten für dieses Jahr einen weiteren Rückgang von einem Prozent“, heißt es in einem Bericht von Allianz-Experten um Chefökonom Ludovic Subran.
Analysten gehen davon aus, dass der Krieg die Wirtschaft noch über Jahre zurückwirft. Sie werde erst 2025 wieder die Stärke von 2021 erreichen, sagte Grigorij Schirnow, Experte beim Telegramkanal My Investments, der Nachrichtenagentur Reuters. „Und das Niveau des Bruttoinlandsprodukts, das ohne die Krise des letzten Jahres hätte erzielt werden können, wird in den nächsten zehn Jahren kaum erreicht werden.“
Auch der ehemalige russische Finanzminister und frühere Notenbanker Oleg Vjugin gibt sich skeptisch und hält es für immer problematischer, die für dieses Jahr angestrebten Öl- und Erdgaseinnahmen zu schaffen. „Die Umsetzung eines solchen Haushalts ist ein Weg zur allmählichen Erosion der Finanzstabilität und zum weiteren Rückgang der Reallöhne der Bevölkerung“, schrieb Vjugin jüngst in einem Bericht.
IW – Russland ist faktisch zu einer Kriegswirtschaft geworden
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Дина Орлова auf Pixabay
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