Frankfurt, 12. Mai (Reuters) – Die hartnäckige Inflation zehrt an den Nerven der Anleger und zwingt Europas Börsen in die Knie. Nach dem Ausverkauf an den US-Aktienmärkten gingen am Donnerstag auch Dax und EuroStoxx50 auf Talfahrt. Der deutsche Leitindex verlor am Vormittag 2,5 Prozent auf 13.489 Punkte, sein europäisches Pendant sackte 2,7 Prozent auf 3548 Zähler ab. Auch zahlreiche Firmenbilanzen enttäuschten. Anleger flüchteten in die als sicherer Hafen geltenden Staatsanleihen und kauften Dollar, während Kryptowährungen unter die Räder gerieten.
Ausgelöst wurden die Schockwellen von den am Mittwoch veröffentlichten US-Verbraucherpreisen, die weniger stark zurückgegangen waren als erwartet. „Die Hoffnungen der Investoren, die Preisspirale würde langsam zum Stillstand kommen, haben sich nicht erfüllt“, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Online-Broker CMC Markets. Nun geht Börsianern zufolge die Angst um, dass die Notenbanken mit größeren Zinsanhebungen gegensteuerten und damit das Wirtschaftswachstum abgewürgt wird.
Anleger richteten nun ihre Aufmerksamkeit auf die US-Erzeugerpreise. Experten erwarten für April eine Teuerung im Jahresvergleich von 8,9 Prozent nach 9,2 Prozent im Vormonat. Sollte auch diese Zahl höher ausfallen als gedacht, dürfte dies den Spekulationen auf drastischere Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed weitere Nahrung geben. Derzeit taxieren Investoren die Wahrscheinlichkeit einer Anhebung um 0,75 Prozentpunkte auf 77 Prozent.
DOLLAR IS KING – AUSVERKAUF BEI BITCOIN
BitcoinBTC= rutschte um mehr als sechs Prozent auf 26.600 Dollar auf den tiefsten Stand seit knapp anderthalb Jahren. Im Vergleich zum Vorwochenschluss hat die Kryptowährung rund ein Drittel ihres Wertes verloren. „Die Furcht vor raschen Zinserhöhungen insbesondere durch die US-Notenbank entzieht Bitcoin und Co einen der wichtigsten Nährböden aus den vergangenen Monaten“, sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. „Es herrscht die absolute Ausverkaufsstimmung am Markt.“
Der Dollar-Index.DXY, der die Weltleitwährung zu anderen wichtigen Devisen misst, kletterte indes um 0,5 Prozent auf 104,52 Punkte – den höchsten Stand seit Ende 2002. Obwohl auch die Erwartungen an einen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank im Juli steigen, bleibt der EuroEUR= Experten zufolge angeschlagen. „Die Gefahr einer Energiekrise im Euroraum und einer daraus resultierenden Rezession belastet derzeit den Euro“, fassten die Analysten der Commerzbank zusammen. Die Gemeinschaftswährung sank mit 1,0422 Dollar zeitweise auf ihren tiefsten Stand seit Januar 2017.
Auch die weiter angespannte Corona-Lage in China verunsicherte die Anleger. Der Volatilitätsindex.V2TX, der auch als Angstbarometer bekannt ist, zog auf 33 Punkte an. In Schanghai wurden zwei Neuinfektionen in Vierteln entdeckt, die zuvor als „Covid-frei“ ausgewiesen wurden. Die Wirtschaftsmetropole befindet sich seit sechs Wochen im Lockdown. Dementsprechend griffen Investoren bei Staatsanleihen zu: im Gegenzug fiel die Rendite der zehnjährigen BundespapiereDE10YT=RR um rund neun Basispunkte auf 0,874 Prozent. Die US-PapiereUS10YT=RR rentierten bei 2,82 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit fast zwei Wochen.
SIEMENS UND HEIDELCEMENT FALLEN BEI ANLEGERN DURCH
Belastungen aus dem Rückzug aus Russland und durchwachsene Quartalsergebnisse lasteten Börsianern zufolge auf den Aktien von SiemensSIEGn.DE. Die Titel fielen um bis zu 7,4 Prozent auf ein Zwei-Monats-Tief von 108,18 Euro. Die Profitabilität der Bereiche Digital Industries und Smart Infrastructure sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, hieß es bei JP Morgan. „Außerdem hatten manche vielleicht auf eine Prognoseanhebung gehofft“, sagte ein Händler.
Nach einem Gewinneinbruch im Quartal verloren die Anteilsscheine von HeidelbergCementHEIG.DE bis zu 7,7 Prozent auf ein Vier-Wochen-Tief von 50,50 Euro. „Wir denken, dass die Zahlen nicht gerade berauschend sind, insbesondere im Vergleich zur Leistung der Mitbewerber im ersten Quartal“, erklärte JP Morgan.
Enttäuscht von einem schwachen Ausblick auf das zweite Quartal sprangen Anleger auch bei VartaVAR1.DE ab. Die Papiere des Batterieherstellers brachen um bis zu 15,4 Prozent ein und notierten so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Inflationsangst treibt Anleger aus Aktien und Bitcoin
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