Tokio, 16. Jan – Die sehr lockere Zinspolitik der japanischen Notenbank (BOJ) gerät zunehmend unter Druck und könnte sich schon sehr bald als Auslaufmodell erweisen. Vergangenen Monat versuchten die Währungshüter zwar, sich etwas Luft zum Atmen zu verschaffen indem sie die Zinsfesseln für lang laufende japanische Staatsanleihen ein Stück lockerten. Doch der Schuss ging eher nach hinten los. Anleiheinvestoren testeten die Entschlossenheit der Bank von Japan, die Rendite der zehnjährigen Anleihe im Zaum zu halten. Die Notenbank sah sich gezwungen mit Anleihenkäufen gegenzusteuern. Schon auf der Zinssitzung diesen Dienstag und Mittwoch könnte nun eine Entscheidung über ihre langjährige Politik der Zinskurvenkontrolle (YCC) anstehen.
„Wenn sich die Lage an den Anleihemärkten im Vorfeld der geldpolitischen Sitzung der Bank von Japan weiter verschlechtert, könnte sich das Risiko eines vorzeitigen Endes der YCC erhöhen“, meint etwa Naomi Muguruma, Chef-Anleihenstrategin bei Mitsubishi UFJ Morgan Stanley Securities. Japans Notenbank steht mit ihrer immer noch sehr lockeren Geldpolitik abseits des weltweiten Trends. Führende Zentralbanken wie die Fed in den USA oder die EZB in Europa haben im Kampf gegen eine hochschießende Inflation inzwischen längst auf eine Politik der Zinserhöhungen umgeschaltet. Nicht so in Japan: Dort verfolgt die BOJ bereits seit 2016 eine Politik der sogenannten Zinskurven-Steuerung. Dabei peilen die Währungshüter Zielmarken von minus 0,1 Prozent für die kurzfristigen Zinsen und von null Prozent für die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen an.
Im Dezember überraschte die BOJ die Märke mit der Entscheidung, künftig einen stärkeren Anstieg der Zinsen für die zehnjährigen Staatsanleihen zuzulassen. Die Rendite der Papiere soll nun um ihren Zielwert von null Prozent um 0,50 Prozentpunkte statt wie zuvor nur um 0,25 Prozentpunkte schwanken dürfen. Doch das befeuerte nur die Spekulationen, dass dies nur der erste Schritt in Richtung einer grundlegenden Strategieänderung ist. Nicht einmal einen Monat nach der Entscheidung durchbrach die Rendite der 10-jährigen Bonds am Freitag die neue Obergrenze und zog auf 0,54 Prozent an – das höchste Niveau seit Mitte 2015. Die BOJ kündigte daraufhin Notfall-Anleihenkäufe an, um die Rendite wieder zu drücken.
Die Bank von Japan hatte Insidern zufolge gehofft, mit der Entscheidung vom Dezember die Lebensdauer ihrer YCC-Politik so lange verlängern zu können, bis sie abschätzen kann, ob die jüngsten Lohnerhöhungen in der drittgrößten Volkswirt der Welt einen Trend anzeigen. Zudem soll im April ein neuer Notenbank-Gouverneur das Ruder von BOJ-Chef Haruhiko Kuroda übernehmen. Dann, so fünf mit den Überlegungen vertraute Personen, könnte unter einer neuen Führung eine geordnete Abkehr von der YCC-Politik eingeleitet werden. Voraussetzung sei, dass die Löhne kräftig genug steigen, um die Inflation nachhaltig um das Zwei-Prozent-Ziel herum zu halten. „Die Löhne sind immer noch niedrig in Japan“, sagte ein Insider zu Jahresbeginn an. Eine Normalisierung der Geldpolitik sei daher keine ausgemachte Sache.
SCHWIERIGE SITUATION FÜR DIE BOJ
Für die Währungshüter ist die Situation kniffelig. Weitere leichte Änderungen an ihrer YCC-Politik könnten Marktspekulationen auf eine bald bevorstehende Zinserhöhung auslösen. Viel werde deshalb diese Woche davon abhängen, ob die Führung der Notenbank die jüngsten Marktturbulenzen als genügend schwerwiegend einstuft, um weitere Schritte einzuleiten, sagten die Insider. „Wenn die Zinskurven-Störungen nicht behoben werden, muss die BOJ überlegen, was sie noch weiter unternehmen kann“, sagte eine der mit den Überlegungen vertrauten Personen.
Manche Börsianer sind allerdings skeptisch. „Die Anpassung im letzten Monat hat der Zentralbank keine Zeit verschafft, sondern vielmehr den Druck auf die BoJ massiv erhöht“, meint etwa Marktstratege Craig Erlam vom Handelshaus Oanda. Am Mittwoch werde der Finanzmarkt wissen, ob es an der Zeit sei, eine erneute Anpassung vorzunehmen oder diese Politik ganz aufzugeben.
Hintergrund: Strategie der japanischen Notenbank unter Druck
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Antonio Jodar auf Pixabay
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