Sonntag, Dezember 22, 2024
StartWirtschaftHintergrund: Nicht nur Stahl - Thyssenkrupp setzt auf Rüstungsgeschäfte

Hintergrund: Nicht nur Stahl – Thyssenkrupp setzt auf Rüstungsgeschäfte

Düsseldorf, 22. Feb – Der Industriekonzern Thyssenkrupp will mit seiner Werftentochter Marine Systems von steigenden Rüstungsausgaben profitieren und eine Konsolidierung der Branche vorantreiben. Die Invasion Russlands in der Ukraine hat die Rüstungsbranche salonfähig gemacht und sorgt für Aufbruchstimmung. „Zusätzliche Chancen für das Segment ergeben sich – neben der höheren weltweiten Nachfrage – durch das ‚Sondervermögen Bundeswehr‘ und die langfristige strukturelle Erhöhung des deutschen Verteidigungshaushalts“, heißt es im Geschäftsbericht. Der Konzern geht davon aus, im Rahmen der kommenden Verteidigungshaushalte der Bundesregierung weitere Aufträge gewinnen zu können. 

Vorstandchefin Martina Merz will die Performance der Sparte verbessern und diese eigenständig oder mit Partnern breiter aufstellen. „Wir sind parallel mit der Bundesregierung als einen unserer wesentlichen Kunden im Dialog, ob und wann die Voraussetzungen allerdings auch von politischer Seite für eine Verselbstständigung geschaffen werden können“, sagte sie auf der Hauptversammlung. Einen exakten Termin dafür könne man derzeit noch nicht nennen.

TRAUM VON EINEM „AIRBUS DER MEERE“

Thyssenkrupps Rufe nach einem Marine-Zusammenschluss auf deutscher oder europäischer Ebene blieben bislang ungehört. Thyssenkrupp Marine Systems hatte sowohl Gespräche mit der Bremer Lürssen-Werft als auch mit dem italienischen Konzern FincantieriFCT.MI geführt. Lürssen hatte im Oktober 2021 sein Marinegeschäft vom Yachtgeschäft getrennt und in das Unternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL) abgespalten. Neben Marineschiffen baut NVL auch Boote für die Küstenwache. Zu den Konkurrenten gehören der französische Schiffsbaukonzern Naval Group, SaabSAABb.ST aus Schweden und die britische BAE SystemsBAES.L. 

Thyssenkrupp Marine Systems beschäftigt rund 6500 Mitarbeiter. Standorte sind unter anderem Kiel, Hamburg, Bremen und Emden. Das Unternehmen baut U-Boote, Fregatten, Korvetten und Anlagen zur Bergung alter Munition, etwa in der Nord- und Ostsee. Hinzu kommen die Wartung und weitere Dienstleistungen. Die Geschäfte sind langwierig. Zwischen dem Beginn der Verhandlungen mit den Kunden bis zur Auftragsvergabe und der Produktion können deutlich mehr als zehn Jahre vergehen. Thyssenkrupp Marine Systems hat einen Auftragsbestand von über 13 Milliarden Euro in den Büchern. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2021/22 1,8 Milliarden Euro, der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) lag bei 32 Millionen Euro. Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres waren es bereits 20 Millionen Euro. Thyssenkrupp peilt für das Gesamtjahr einen Gewinnsprung bis in den mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich an. Der Umsatz soll deutlich steigen.

ÜBERNAHME DER WERFT IN WISMAR – NEUE JOBS BEI MEHR AUFTRÄGEN

Thyssenkrupp-Vorstandsmitglied Oliver Burkhard hat seit dem vergangenem Jahr die Führung von Marine Systems übernommen. Im Juni 2022 hat er die Übernahme des Standorts Wismar der insolventen MV-Werften unter Dach und Fach gebracht. „Diese zusätzliche Fertigungsstätte bietet uns Expansionsmöglichkeiten, sowohl für militärische als auch für zivile Produkte“, betonte der Manager damals. Marine Systems wollte dort ab 2024 U-Boote bauen. Bei einem Hochlauf der Produktion könnten rund 800 Mitarbeiter von Marine Systems eingestellt werden, hatte es geheißen.

Doch die Hoffnung auf einen neuen U-Boot-Auftrag erfüllte sich bislang nicht. „In der Tat verändert sich unsere Planung bezüglich Wismar, da bisher noch keine neuen Boote bestellt wurden und auch bei Überwasser keine relevante Entscheidung getroffen wurde“, sagte eine Sprecherin auf Reuters-Anfrage. Mögliche Investitionen würden verschoben. An den Plänen und Zusagen halte Marine Systems aber fest. Derzeit seien in Wismar rund 125 eigene Mitarbeiter beschäftigt.

Die Rüstungsgeschäfte lösen nicht bei allen Anlegern Begeisterung aus. „Wir fordern den sofortigen Verkauf sämtlicher Rüstungsaktivitäten“, sagt der Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, Ingo Speich. Das Reputations- und Compliancerisiko dieses Geschäftsfeldes stehe in keinem Verhältnis zum erwirtschafteten Gewinn.

IG Metall-Vertreter sehen hingegen durch die Invasion Russlands in der Ukraine eine veränderte Lage. „Da schlagen zwei Herzen in unserer Brust“, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, auf der Jahrespressekonferenz. Für die Gewerkschafter seien Rüstungsgeschäfte ein schwieriges Feld, weil man sich auf der einen Seite als Teil der Friedensbewegung für Frieden schaffen ohne Waffen einsetzte. „Aber wir müssen aufgrund dieses fürchterlichen Angriffskrieg zur Kenntnis nehmen, dass es anscheinend jetzt zur Zeit wichtig ist, dass wir auch eine gut ausgerüstete Bundeswehr haben.“

Hintergrund: Nicht nur Stahl – Thyssenkrupp setzt auf Rüstungsgeschäfte

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Hermann Traub auf Pixabay

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