Samstag, November 16, 2024
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Hintergrund: Chile und Argentinien als Partner im Kampf gegen Rohstoff-Abhängigkeit

Berlin, 30. Jan – Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hat in Deutschland ein Wettlauf um mehr Rohstoff-Unabhängigkeit eingesetzt. Denn mit Schrecken entdecken deutsche Firmen und die Politik, wie sehr die Industrie nicht nur bei Energieträgern wie Öl oder Gas von wenigen, oft autokratischen Ländern abhängig ist. Das gilt gerade bei High-Tech-Produkten für die Energiewende wie E-Autos, Solar- und Windkraftanlagen. Jetzt hat Kanzler Olaf Scholz in Argentinien und Chile den Grundstein dafür gelegt, dass sich die Lieferbasis verbreitert. Beide Staaten haben etwa große Vorkommen an Lithium, einem Leichtmetall, das etwa für Batterien wichtig ist. Weil Deutschland spät in das weltweite Rennen um Rohstoffe einsteigt, lockt es nun damit, dass es in den Förderländern für mehr Wertschöpfung und einen umweltfreundlicheren Bergbau sorgt. 

ANGST VOR CHINA

„Etwa 80 Prozent der Bergbauproduktion findet in nur 16 Ländern statt“, hatte Sven-Uwe Schulz, stellvertretender Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (Dera), schon vor Wochen gegenüber Reuters gewarnt. „Und bei der Weiterverarbeitung ist es noch gravierender: Knapp 50 Prozent der weltweiten Raffinade-Produktion kommen aus China“, sagte er mit Blick auf die weiterverarbeiteten Rohstoffe. Genau deshalb betonte auch Scholz auf seiner Reise das Angebot, Ländern wie Chile beim Aufbau von Raffinerien zu helfen. Denn bisher sichert sich China die Rohstoffe, verarbeitet sie aber im eigenen Land weiter.

„Weltweit sehen wir eine klare Expansion chinesischer Minenbetreiber. China treibt die Sicherung der Rohstoffe für seine Interessen sehr strategisch und in großen Umfang voran“, hatte auch die zuständige Staatssekretärin, Franziska Brantner, gesagt, die Scholz auf der Lateinamerika-Reise begleitete. „Insbesondere in Argentinien haben sich chinesische Firmen die Mehrzahl der Konzessionen für Lithium-Minen in dem Land gesichert“, betonte Roland Harings, Chef des deutschen Kupferproduzenten Aurubis. Deshalb gehörte auch er zu der Wirtschaftsdelegation des Kanzlers – und schloss in Chile eine Absichtserklärung mit dem weltgrößten Kupferproduzenten Codelco. Auch hier wurde die Hilfe zum Aufbau einer größere Wertschöpfung in Chile selbst betont. 

AUTOKONZERNE ALS VORREITER

Lateinamerika ist nur ein Baustein beim Versuch einer sichereren weltweiten Rohstoff-Versorgung. Im August 2022 hatte Scholz in Kanada für den Bezug von Gas, Lithium und anderen Rohstoffen geworben. „Kanada hat alles, was Russland auch hat“, hatte er damals betont.Read full storyIm Mittelpunkt der Bemühungen steht wie jetzt in Argentinien und Chile vor allem die Zusammenarbeit mit demokratischen Ländern. Deshalb hatte Scholz auch den mongolischen Ministerpräsidenten Luwsannamsrain Ojuun Erdene im Kanzleramt empfangen. Dera-Vize Schulz nennt den Trend „friend-shoring“ – was die engere Zusammenarbeit mit Ländern beschreibt, mit denen man gleiche Werte teilt. 

Auch Unternehmen denken mittlerweile um, nachdem sie sich jahrzehntelang auf einen freien Weltmarkt verlassen hatten. „Wir sehen aber zum einen eine zunehmende Konzentration der Firmen im Rohstoffsektor und der weiterverarbeitenden Industrie“, sagte Wirtschaftsstaatsekretärin Brantner. Zum anderen werden viele Rohstoffe mittlerweile über sogenannte Offtake-Verträge vergeben, bei denen sich Kunden bei Bergwerken frühzeitig große Teile der Produktion sichern. Analysten warnen, dass etwa bei Kobalt, Iridium und bestimmten Seltenen Erden die Produktion gar nicht mehr auf dem freien Markt landet. Japan und Südkorea betreiben deshalb längst eine aktive Rohstoffpolitik, die USA folgen. Auch die EU-Kommission hat bereits einen Rohstoff-Vorstoß angekündigt. Und das Wirtschaftsministerium hat Vorschläge für eine Rohstoffstrategie vorgelegt. 

Einfach ist diese Zukunftssicherung aber nicht. „Wir raten den Unternehmen, die sich in Bergbauprojekten engagieren möchten, zu einer Beteiligung zu einem möglichst frühen Projektzeitpunkt“, sagt Dera-Vize Schulz. Dann bestünden gute Chancen mitzubestimmen, wohin die Rohstoffe am Ende gehen. Eine andere Möglichkeit ist das sogenannte „Junior-Mining“, bei dem Risikokapital in eine sehr frühere Phase der Exploration möglicher Vorkommen gesteckt wird – in der Hoffnung, dass sich zumindest einige der Projekte als „Goldgrube“ erweisen. Ein anderer Weg ist Zusammenarbeit mit Verarbeitungsbetrieben: Mercedes-Benz etwa bestellt bei Rock Tech nun Lithiumhydroxid, das im brandenburgischen Gruben hergestellt werden soll. 

Abhilfe könnten auch andere Aktivitäten bringen. Das Wirtschaftsministerium will das Recycling vorantreiben, weil in vielen entsorgten Technikgeräten wertvolle Metalle stecken. Zudem soll intensiver geprüft werden, ob Vorkommen etwa im Erzgebirge für Zinn und Wolfram oder in der Lausitz für Kupferschiefer oder Lithium ausgebeutet werden können. 

Hintergrund: Chile und Argentinien als Partner im Kampf gegen Rohstoff-Abhängigkeit

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Patricio Gonzalez auf Pixabay

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