Donnerstag, Dezember 26, 2024
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Habeck und die Hochöfen – Heiße Phase der Industriewende

Duisburg, 22. Feb (Reuters) – Wenn die Industriewende eine Postleitzahl hätte, dann könnte sie 47179 lauten. Eine Adresse kann das „Baufeld Walsum“ in Duisburg, der Herzkammer der ersten industriellen Revolution, zwar noch nicht vorweisen. Doch von hier soll die zweite und jetzt grüne Transformation des größten Industriestaates in Europa ihren Ausgang nehmen.

In wenigen Jahren wird Stahl hier erstmals ohne Koks und Kohle sondern unter Einsatz von Wassertoff produziert werden. Das ist die Zukunft – da sind sich alle einig auf dieser zugigen Brache am Rhein, wo der Stahlkonzern ThyssenKrupp derzeit seine tonnenschweren Rohstahl lagert.

Aber zunächst sehr teuer. Und so richten sich die Blicke der Manager und Stahlkocker auf Robert Habeck aus dem ländlichen Schleswig-Holstein, der in dicker Windjacke und mit Helm zwischen den Stahlbrammen Mut machen will. Er fände das „cool“, was Thyssen hier vorhabe und verspricht: „Die öffentliche Hand wird einen Beitrag dazu leisten, der eklatant ist.“

Nach der Energie- und Verkehrswende gilt die Industriewende als dritte und wohl größte Herausforderung für Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Prozesse der Chemie-, Zement- oder eben Stahlindustrie lassen eine direkte Umstellung auf grünen Strom nicht zu. Als Schlüssel gilt vor allem Wasserstoff, der mit Wind- oder Solarstrom erzeugt wird. Nur: Wasserstoff wird noch lange knapp und damit auch teuer bleiben.

Aber der Kampf gegen den Klimawandel lässt Deutschland keine Zeit. Bis 2030 muss die Industrie ihre Emissionen um rund ein Drittel kürzen. Dafür braucht es neue Hochöfen. Die Industrie steht ohnehin vor einem neuen Investitionszyklus, bis zur Hälfte der Anlagen müssen in den nächsten Jahren erneuert werden. ThyssenKrupp rechnet bis 2030 allein für die Umstellung der Produktion mit Kosten von 2,2 Milliarden Euro, bis 2045 von insgesamt sieben Milliarden Euro.

Dass sich die grüne Produktion noch nicht rechnet, davon müssen die ThyssenKrupp-Manager den Wirtschaftsminister nicht überzeugen. Im Gepäck hat er zwei Instrumente: Zum einen Investitionshilfen für eine sogenannte Wasserstoff-Direktreduktionsanlage und die Klimaschutzverträge.

Sie sollen über die Jahre die Mehrkosten des Einsatzes von Wasserstoff ausgleichen. Und wenn irgendwann die grüne Produktion einmal billiger ist als die mit Koks und Kohle, kann auch Geld zurückfließen an den Staat. Das wird aber dauern und daher braucht es erstmal viele Milliarden und klare Zusagen. Bis Ostern will die Regierung soweit sein.

DIE GROSSE BEWÄHRUNGSPROBE FÜR DEN GRÜNEN-MINISTER

Es wird die erste große Bewährungsprobe für Habeck, der trotz der Schonfrist der ersten 100 Tage im Amt aus der Industrie mit Misstrauen beäugt wird: Ist Habeck nur Klima- oder auch Wirtschaftsminister? Kennt der Politiker und auch Schriftsteller aus dem hohen Norden mit seiner Liebe zu Dänemark auch den harten Konkurrenzkampf mit den USA oder China? Weiß er nicht nur von der Lage der Krabbenfischer sondern auch um die Sorgen der Stahlkocher?

Habeck spürt natürlich, dass ihm als neuem und grünem Minister hier im Ruhrpott Skepsis begegnet. Klar ist auch, dass die Industriewende neben Geld eben doch ein bisschen Zeit braucht. Thyssenkrupp will 2025 eine erste Direktreduktionsanlage in Betrieb nehmen und eine zweite 2029. Diese sollen zuerst mit Erdgas und erst später mit Wasserstoff betrieben werden. Schon mit Erdgas ist eine solche Anlage dem Unternehmen zufolge um die Hälfte sauberer als ein Hochofen. Doch richtig grün ist der Stahl erst, wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien produziert wird.

Habeck gibt sich optimistisch, dass eine solche Wasserstoff-Produktion weltweit schneller vorankommt als zuletzt gedacht. Das könnte sozusagen doch noch ein kleiner positiver Effekt der Ukraine-Krise sein. Die Staaten wollten sich einfach unabhängiger vom russischen Gas machen, da werde es jetzt noch einen Schub geben, sagt er voraus.

Doch Habeck will nicht den Eindruck erwecken, die industrielle Revolution laufe wie die vor 200 Jahren praktisch von allein. Ungelöst sind noch die Fragen des Schutzes einer grünen europäischen Industrie vor der Konkurrenz aus Übersee, die noch mit Koks und Kohle produziert. „Es gibt für mich viel zu lernen am Standort“, sagt er zwischen den alten Hochöfen. „Ich werde werde mit mehr Aufgaben losfahren als ich hierher gekommen bin.“

Habeck und die Hochöfen – Heiße Phase der Industriewende

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Titelfoto: Symbolfoto

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