Montag, Dezember 23, 2024
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Gewerkschaften legen mit Großstreik Verkehr weitgehend lahm

Berlin/Potsdam/Frankfurt, 27. Mrz – Busse und Bahnen im Depot und Flugzeuge am Boden: Seit Montagmorgen hat ein Großstreik der Gewerkschaften Verdi und EVG den öffentlichen Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Dies traf Millionen Berufspendler und Hunderttausende Zug- und Flugreisende. Verdi sprach vom größten Streik seit 1992. Die Gewerkschaften erhöhten mit ihrem 24-stündigen Arbeitskampf den Druck in den Tarifverhandlungen und verteidigten erneut ihr Vorgehen. Die Konfliktparteien setzten ihre Gespräche im öffentlichen Dienst in Potsdam fort und signalisierten erneut wenig Kompromissbereitschaft. In Verhandlungskreisen hieß es, die Arbeitgeber hätten zunächst kein neues Angebot vorgelegt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich zuversichtlich, dass man in den bis Mittwoch geplanten Verhandlungen zu einer guten Lösung kommen werde. „Ich erwarte jetzt erstmal, dass die Gewerkschaften von ihren hohen Forderungen vielleicht uns auch ein Stück entgegenkommen.“ Verdi-Chef Frank Werneke konterte, das bisherige Angebot der Arbeitgeber finde „keinerlei Akzeptanz bei den Beschäftigten“. Voraussetzung für einen Tarifabschluss sei, dass sich die Arbeitgeber bewegten. „Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind.“ 

DBB – BEI GESCHEITERTER SCHLICHTUNG UNBEFRISTETER STREIK

Regierungssprecher Steffen Hebestreit rief die Tarifparteien auf, möglichst bald eine Einigung zu finden. Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (dbb), Ulrich Silberbach, forderte Bund und Kommunen auf, ihr Angebot „deutlich nachzubessern“. Es gebe eine Schlichtungsvereinbarung für den Fall, dass die Verhandlungen scheiterten. Wenn es auch dann keine Einigung gäbe, „werden wir in einen flächendeckenden, unbefristeten Arbeitskampf einsteigen müssen“, warnte Silberbach. 

Verdi und der dbb verhandeln für die etwa 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen. Sie fordern 10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro monatlich. Die Arbeitgeber halten diesen Mindestbetrag und die gesamte Lohnforderung für nicht darstellbar. Sie hatten in zwei Schritten fünf Prozent mehr Lohn und steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 2500 Euro angeboten.

Der öffentliche Personennahverkehr wurde in sieben Bundesländern ebenso bestreikt wie Flughäfen. Der Fern-, Regional und S-Bahnverkehr der Deutschen BahnDBN.UL stand bis Mittag weitgehend still. Danach nahmen nur einzelne regionale Verbindungen den Verkehr wieder auf. 

Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert sagte in Potsdam, mehr als 30.000 Beschäftigte hätten sich am Warnstreik bei Bahn- und Busfirmen beteiligt. Burkert widersprach der Kritik vieler Wirtschaftsvertreter und sagte, der massive Streik sei sehr wohl verhältnismäßig. Er wolle die Arbeitgeber fragen, „ob es noch verhältnismäßig ist, wenn Vorstände das 40-, 50-Fache oder mit Boni das 80-, 100-Fache von dem verdienen, was in den Dienstleistungen verdient wird“. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei 50 Bahn- und Busunternehmen, für die sie zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr will.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hält weitere Großstreiks im Verkehr für Fahrgäste und Personal für kaum verkraftbar, wie der Bundesvorsitzende Detlef Neuß dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), ein Zusammenschluss der Konkurrenten der Deutschen Bahn, kritisierte, dass die Bahn-Tochter DB Netz für den Schienengüterverkehr keinen Notfallplan erstellt habe.

Die Lokführergewerkschaft GDL, die in der Vergangenheit immer wieder ihre Streikbereitschaft gezeigt hatte, bereitet sich derweil auf ihre Tarifgespräche Ende des Jahres vor, wie GDL-Chef Claus Weselsky im „Spiegel“-Interview sagte. „Ich freue mich schon auf die Tarifrunde im Herbst, seien Sie versichert.“ 

Zum Arbeitskampf aufgerufen hat Verdi rund 120.000 Beschäftigte – auch in Häfen, an Schleusen, bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und bei der Autobahngesellschaft. Im Hamburger Hafen etwa konnten nach Angaben der Verwaltung (HPA) Schleusen, Brücken und Sperrwerke bis auf Notfälle nicht bedient werden. Mehrere große Schiffe, die auf Lotsen angewiesen sind, konnten erst verspätet in den Hafen fahren.

ÖKONOMEN – STREIK LÄSTIG, ABER MIT GERINGEN KONJUNKTURFOLGEN

Bis auf den Hauptstadtflughafen BER wurden größere Airports in Deutschland quasi lahmgelegt. Betroffen waren dem Flughafenverband ADV zufolge bundesweit 380.000 Passagiere, davon laut Airlineverband BDL 260.000 Fluggäste bei deutschen Fluglinien. Allein am größten deutschen Flughafen Frankfurt wurden fast 1200 Flüge für 160.000 Fluggäste gestrichen. Auch am Dienstag sei noch mit Auswirkungen zu rechnen, zumindest mit langen Wartezeiten, erklärte ein FraportFRAG.DE-Sprecher. 

Der Verkehrsstreik wird Ökonomen zufolge keine sichtbaren Bremsspuren in der Konjunktur hinterlassen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht davon aus, dass maximal 181 Millionen Euro direkte Kosten durch blockierte Häfen, ausgefallene Flüge und Bahnverbindungen entstehen. „Nach dem Energiekostenschock können Zweitrundeneffekte wie etwa über starke Lohnsteigerungen Preise weiter erhöhen“, sagte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Die Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale scheint angesichts sich normalisierender Energiepreise und Lieferketten aber gering.“

Gewerkschaften legen mit Großstreik Verkehr weitgehend lahm

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von S. Hermann / F. Richter auf Pixabay

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