Samstag, November 23, 2024
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Geistertanker mit sanktioniertem Öl erhöhen Unfallrisiko auf See

LONDON, 26. Mrz (Reuters) – Hunderte von Öltankern sind im Auftrag des Iran, Russlands und Venezuelas auf den Weltmeeren unterwegs, um trotz westlicher Sanktionen Geld mit dem Export des wertvollen Rohstoffs zu verdienen. Die Größe dieser sogenannten Geisterflotte wird von Branchenvertretern auf 400 bis mehr als 600 Schiffe geschätzt – etwa ein Fünftel der Gesamtzahl an Rohöltankern. Das Problem: Die Schiffe sind alt und schlecht gewartet, weil Service-Firmen, Versicherer oder Unternehmen, die Sicherheitszertifikate ausstellen, mit sanktioniertem Öl nichts zu tun haben wollen. Für die Schifffahrt und die Meere wird die Geisterflotte deshalb zu einer immer größeren Gefahr. „Das Risiko einer schweren Verschmutzung ist sehr hoch“, sagt Andrea Olivi, der beim Rohstoffhandelsriesen Trafigura für den Transport von Öl und Erdölprodukten verantwortlich ist.

Reuters hat Daten zu Schiffsbewegungen und Unfällen mit Öltankern analysiert sowie mit mehr als einem Dutzend Vertretern von Reedereien, Rohstoffhändlern, Versicherern und Behörden gesprochen. Den Recherchen zufolge gab es im vergangenen Jahr mindestens acht Ereignisse, bei denen Tanker mit sanktioniertem Öl auf Grund liefen, mit anderen Schiffen zusammenstießen oder das nur knapp verhindert wurde. So viele Zwischenfälle gab es in den drei Jahren zuvor insgesamt. Zum Beispiel wurde der mit russischem Öl beladene Tanker „Linda I“ im südspanischen Hafen von Algeciras festgesetzt – das Schiff war der spanischen Handelsschifffahrtsaufsicht zufolge wegen Fehlern im Navigationssystem auf ankernde Schiffe zugetrieben. Dazu hatte der Tanker kein Abgasreinigungssystem und verstieß damit gegen UN-Vorschriften. Die spanische Behörde zog das Schiff für fast zwei Monate aus dem Verkehr, bis die Fehler behoben worden waren, und erhob ein Bußgeld von 80.000 Euro.

Im Osten Chinas lief der Tanker „Arzoyi“ am 23. März 2022 beim Entladen an einem Terminal auf Grund und verursachte einen Ölaustritt in den Hafengewässern. Er hatte nach Angaben der US-Lobbygruppe United Against Nuclear Iran (UANI), die den Tankerverkehr mit dem Iran über Satelliten verfolgt, iranisches Öl geladen. Der eingetragene Eigentümer der „Arzoyi“, die in Panama ansässige Vitava Shipping, war für einen Kommentar nicht erreichbar. Drei Tage später war die „Petion“ in eine Kollision mit einem anderen Tanker vor dem kubanischen Hafen von Cienfuegos verwickelt, Ursache unklar. Das Schiff transportierte venezolanisches Rohöl, aber der Großteil der Ölexporte Venezuelas unterliegt US-Sanktionen. Die Behörden in China und Kuba antworteten nicht auf eine Anfrage um Stellungnahme.

„KÖNNTE UNS TREFFEN, WENN WIR IM HAFEN LIEGEN“

„Bei der Schattenflotte wird die Sicherheit nicht so sehr überprüft und das ist ein Problem“, sagt Jan Dieleman, beim Rohstoffhändler Cargill für die Seeschifffahrt verantwortlich. „Wir haben keine Klarheit über Wartung oder die Sicherheit, weil niemand Zugang zu den Schiffen hat und das prüft.“ Die gegen Russland verhängten Sanktionen und die steigenden Ölexporte des Iran haben das Problem noch verschärft, weil die Flotte dieses undurchsichtigen Parallelhandels immer größer wird. „Unseren Daten zufolge sind es inzwischen rund 650 Einheiten“, sagt Olivi von Trafigura. Zwei Drittel davon seien Öltanker, schätzt er. Im Fall des Iran ist die Zahl der Tanker, die zusätzlich zur staatlichen Flotte Rohöl und andere iranische Produkte transportieren, auf mehr als 300 gestiegen, von nur 70 im November 2020, wie UANI analysiert hat. Reuters konnte die Zahlen zu Größe und Wachstum der Geisterflotte nicht überprüfen. Der Iran, Venezuela und Russland, die die westlichen Sanktionen nicht anerkennen, antworteten nicht auf Fragen nach einer Stellungnahme.

In der Branche wird nun befürchtet, dass die jahrzehntelangen Bemühungen um mehr Sicherheit in der Schifffahrt durch diesen Schattenhandel untergraben werden. „Das Unfallrisiko ist definitiv gestiegen“, sagt Eric Hanell, Chef des Tankerbetreibers Stena Bulk. „Uns könnte das treffen, wenn wir in einem Hafen liegen … weil jemand auf uns auffährt oder die Kontrolle verliert. Das ist bei dieser Art von Schiffen ein viel größeres Risiko, weil sie älter sind und nicht so gut gewartet werden.“ Nach Angaben des Datenanbieters VesselsValue sind rund 774 der 2296 Tankschiffe in der weltweiten Rohölflotte 15 Jahre oder älter. Es ist zwar nicht klar, wie viele dieser älteren Schiffe Teil der Geisterflotte sind. Doch die großen Ölkonzerne und Rohstoffhändler setzen wegen der strengen Sicherheitsrichtlinien in der Regel Tanker ein, die jünger als 15 Jahre sind. 

Ein besonderes Risiko bergen Manöver, bei denen Öl auf hoher See von Tanker zu Tanker umgeladen wird, außerhalb der Sichtweite und der Zuständigkeit der Hafenbehörden. Das wurde 2019 deutlich: Im Schwarzen Meer vor der Halbinsel Krim kam es zu einem Großbrand, als zwei Tanker beim Umladen von Treibstoff auf See Feuer fingen. Mindestens zehn Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Einem der beiden Schiffe war aufgrund von US-Sanktionen zuvor die Einfahrt in einen Hafen verwehrt worden.

Geistertanker mit sanktioniertem Öl erhöhen Unfallrisiko auf See

Quelle: Reuters

Symbolfoto:Bild von Jan Van Bizar auf Pixabay

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