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Fresenius erfindet sich neu – Loslösung von Sorgenkind FMC

Frankfurt, 22. Feb – Fresenius-Chef Michael Sen macht nach nur vier Monaten an der Spitze des Gesundheitskonzerns Nägel mit Köpfen: Die komplexe Unternehmensstruktur, die vielen Investoren ein Dorn im Auge war, soll bald der Vergangenheit angehören und die Entflechtung von der problembehafteten Dialysetochter FMC vorangetrieben werden. „Fresenius fehlte die Richtung“, sagte Sen am Mittwoch. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren falsche Prioritäten gesetzt. „Die Strukturen im Konzern waren viel zu komplex. Wachstum wurde erzielt auf Kosten der Rendite“, sagte der ehemalige Siemens-Manager, der Anfang Oktober den langjährigen Fresenius-Chef Stephan Sturm ablöste. „Am Ende führten immer mehr Schulden zu immer weniger Bewegungsspielraum.“ Daher brauche Fresenius einen Wandel.

Ein Ende soll auch die Zeit haben, in der Fresenius nach zahlreichen milliardenschweren Übernahmen als „Deal-Maschine“ im Leitindex Dax galt. „Das Geschäftsmodell ändert sich, wir kaufen kein Wachstum und kein Ergebnis mehr“, betonte Sen. Er wolle den Konzern mit einer klaren Strategie führen und nicht mit Transaktionen. „Im übrigen, wenn man sich anschaut, wo unsere Bilanz steht, wo unser Verschuldungsgrad steht, dann ist erstmal klar, dass da wenig Raum für größere Deals ist.“ Erst wenn Fresenius wieder „Wasser unter dem Kiel“ habe, könne zur Stärkung der Strategie über Zukäufe nachgedacht werden.

Sens Vorgänger Sturm musste Ende September überraschend seinen Hut nehmen, nachdem er die komplexe Konzernstruktur mit vier Sparten rund 1,5 Jahre öffentlich auf den Prüfstand gestellt hatte, ohne Ergebnisse zu liefern. Von Sen, der zuvor die Medikamentensparte Kabi leitete, hatten Investoren im Dezember schnell Klarheit über den Kurs des Bad Homburger Gesundheitskonglomerats gefordert – und vor allem eine grundlegende Überprüfung von FMC, die sie als größte Baustelle bezeichneten. Druck kam auch vom Hedgefonds Elliott, der bei Sen auf die Herausnahme von FMC aus der Bilanz drängte, nachdem die Tochter der Mutter mehrfach die Geschäftszahlen verhagelte. 

FMC hatte erheblich mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen, in der Dialysepatienten besonders gefährdet waren, und litt noch dazu unter Personalmangel sowie steigenden Kosten. Nun soll FMC bis zum Jahresende von einer AG & Co KGaA in eine normale Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt werden. Dann muss Fresenius das Sorgenkind nicht mehr voll bilanzieren. „Dies ist eine Zäsur für Fresenius“, sagte Sen. „Wir lösen uns von Strukturen, die beide Unternehmen zuletzt daran gehindert haben, das Beste aus sich herauszuholen.“

ES BLEIBT SCHWIERIG

Künftig will sich Fresenius vor allem auf die Medikamentensparte Kabi sowie die Klinikkette Helios konzentrieren. Auch zur Dienstleistungs-Sparte Vamed geht Sen auf Distanz, sie wird wie auch FMC künftig nur noch als Finanzbeteiligung geführt. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Union-Investment-Fondsmanager Florian Oberhofer. Die Fondsgesellschaft Deka betonte, Fresenius dürfe es nicht bei der Loslösung von FMC bewenden lassen. „Die Dekonsolidierung von FMC durch Umwandlung in eine AG wird die Probleme nur an der Oberfläche angehen“, sagte Cornelia Zimmermann, Spezialistin für Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka. „Es bleibt offen, ob eine wertschöpfende Lösung gefunden werden kann.“

Den FMC-Aktien gaben die Pläne dennoch Auftrieb: Sie waren mit einem Plus von gut zwölf Prozent größter Gewinner im Dax, Fresenius dagegen größter Dax-Verlierer. Denn die Unsicherheiten sind weiter hoch: Kosteninflation und Arbeitskräftemangel dürften sich 2023 noch deutlich stärker auf das Geschäft auswirken als im vergangenen Jahr, warnte Fresenius. Nach einem kräftigen Rückgang 2022 soll das operative Ergebnis (Ebit) vor Sondereinflüssen in diesem Jahr währungsbereinigt bestenfalls stabil bleiben, im schlechtesten Fall aber um einen hohen einstelligen Prozentsatz schrumpfen.

Nach Einschätzung von Fondsmanager Oberhofer zeigt die Prognose von Fresenius für das laufende Jahr, „dass es fundamental erstmal weiterhin sehr schwierig“ bleibe und das von Sen angekündigte Sparprogramm notwendig sei. Die Frage sei nun, wann Fresenius seine Beteiligung an FMC von derzeit 32 Prozent reduziert und wann eine fundamentale Verbesserung sichtbar wird.

In diesem Jahr fließen die Zahlen der Dialysetochter letztmals in die Bilanz des Konzerns ein, ab dem nächsten Jahr muss Fresenius nur noch anteilig Gewinne und Verluste verbuchen.

Sen betonte, Fresenius wolle FMC-Aktionär bleiben, „weil wir wissen, dass dieser Markt attraktiv ist“. Wenn man das Paket aber irgendwann doch zu Geld machen sollte, wäre das künftig ohne Vorbedingungen möglich. Von FMC forderte er einen „operativen Turnaround, es muss seine Leistung verbessern und sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.“ Die neue FMC-Chefin Helen Giza erhofft sich von der Trennung wiederum mehr Handlungsspielraum und schnellere Entscheidungen. Bis 2025 will FMC rund 650 Millionen Euro einsparen, 150 Millionen mehr als bisher geplant. Bei Fresenius will Sen von 2025 an jährlich rund eine Milliarde Euro an strukturellen Kosten einsparen. Ob damit auch ein Stellenabbau verbunden ist, ließ das Unternehmen offen. Abstriche müssen auch die Aktionäre machen: Nach 29 Dividendenerhöhungen in Folge liegt die Ausschüttung für das Geschäftsjahr 2022 mit 92 Cent nur auf dem Niveau von 2021. 

Fresenius erfindet sich neu – Loslösung von Sorgenkind FMC

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Tumisu auf Pixabay

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