Berlin, 23. Jan (Reuters) – Die Inflation in der Euro-Zone könnte nach den Worten von EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann länger als bislang angenommen erhöht bleiben. „Wir gehen alle davon aus, dass die Inflation zurückgehen wird“, sagte der österreichische Notenbankchef der Tageszeitung „Die Presse“ in einem am Sonntag veröffentlichten Interview. „Die Frage ist nur, in welcher Zeitperiode?“
Die ursprüngliche Annahme sei gewesen, dass es Anfang 2022 zu einer Beruhigung kommen und es im vierten Quartal dann einen starken Rückgang geben werde. „Es ist noch nicht ausgeschlossen, dass es so kommt“, sagte das Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB). „Wir wissen allerdings auch nicht, ob die Inflation nicht doch länger auf hohem Niveau verbleibt.“ Es gebe derzeit „sehr viel Unsicherheit“ über die Entwicklung.
Entscheidend seien sogenannte Zweitrundeneffekte – also etwa Lohnerhöhungen. Manche Experten befürchten, dass Arbeitnehmer wegen Kaufkraftverlusten deutlich höhere Löhne fordern und eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnten, da Unternehmen höherer Personalkosten weiterreichen könnten. „Hier sehen wir noch keine entsprechenden Anzeichen.“ Die Entwicklung werde sehr genau angeschaut. In Branchen, die von vielen Mitarbeitern verlassen worden seien, werde es sicherlich zu Lohnerhöhungen kommen. „Grundsätzlich gibt es also die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale“, sagte Holzmann. „Ich glaube aber, dass die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter hier sehr rational und überlegt handeln.“
Die Inflation im Euro-Raum ist vor allem wegen teurer Energie auf ein Rekordhoch gestiegen. Dienstleistungen und Waren kosteten im Dezember durchschnittlich 5,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997. Die Teuerungsrate liegt nun weit mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der EZB, die mittelfristig eine Rate von 2,0 Prozent als optimalen Wert für die Wirtschaft anpeilt.
„Angesichts der höheren Inflation wird man jetzt sicherlich vielerorts an Zinserhöhungen denken“, sagte Holzmann. „Die Frage ist nur, mit welchem Rhythmus und in welcher Höhe.“ In den USA – wie die Inflationsrate noch höher ist – wird für März eine erste Zinserhöhung erwartet.
Die Vereinigten Staaten „waren auch jenes Land, das als Erstes im Jahr 2020 liquide Maßnahmen gesetzt hatte“, sagte Holzmann. „Europa ist hier ein bisschen hinten, weil es auch im ökonomischen und monetären Zyklus dahinterliegt.“ Bei hohen Staatsschulden könne ein zu starker und vor allem überraschender Anstieg der Zinsen zu Problemen führen. Finanzmärkte könnten womöglich Panik bekommen. „Es wäre ein Problem, wenn die Zinsen abrupt ansteigen“, sagte der Währungshüter. „Wenn diese Erhöhungen aber langsam eingebaut werden, dass sich die Märkte darauf einstellen können, werden auch die Länder mit hoher Verschuldung das mittragen können.“
EZB-Ratsmitglied – Viel Unsicherheit über Inflationsentwicklung
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