Donnerstag, Dezember 26, 2024
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EZB beschließt größten Zinsschritt seit Einführung des Euro-Bargelds

Frankfurt, 08. Sep – Die EZB stemmt sich mit einer so starken Zinserhöhung wie noch nie seit Einführung des Euro-Bargelds 2002 gegen die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um außerordentlich kräftige 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent anzuheben. „Wir haben unglaublich hohe Inflationszahlen, wir sind bei unserer Vorhersage nicht am Ziel und wir müssen handeln“, sagte Lagarde und stellte weitere Zinsanhebungen in Aussicht.

Dies ist bereits der zweite Straffungsschritt in Folge. Im Juli hatte die EZB die Zinswende eingeleitet und die Schlüsselsätze erstmals seit 2011 nach oben gesetzt. Angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation rechnet Lagarde mit einer Eintrübung der Konjunktur. „Wir erwarten, dass sich die Wirtschaft substanziell im restlichen Jahresverlauf abschwächt,“ sagte sie.

An den Börsen kam insbesondere der Konjunkturausblick nicht gut an. Der Dax baute seine Verluste aus und verlor mehr als ein Prozent. Der Euro geriet ebenfalls unter Druck und verbilligte sich zweitweise auf 0,9958 Dollar. 

Hinter dem für die EZB bisher beispiellosen Jumbo-Schritt steht die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Der Einlagensatz wurde ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Die vor allem durch den Energiepreisschub infolge des Ukraine-Kriegs angefachte Teuerung erfasst immer weitere Bereiche der Wirtschaft. Im August war die Inflation in der Euro-Zone auf ein neues Rekordniveau von 9,1 Prozent geklettert, ein Nachlassen ist nicht in Sicht. Das Inflationsniveau ist damit mittlerweile mehr als viermal so hoch wie das Ziel der Währungshüter. Die EZB erachtet zwei Prozent Teuerung als optimal für die Wirtschaft. Sie ist daher zuletzt immer stärker unter Zugzwang geraten, energisch gegen den Preisschub einzuschreiten. 

„Es ist gut, dass sich die EZB zu einem großen Zinsschritt um 75 Basispunkte durchgerungen hat,“ kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Beschlüsse. Jetzt komme es darauf an, dass die EZB ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebe. Mit der Anhebung der Leitzinsen um 75 Basispunkte sende die EZB ein Signal der Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. „Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöver und die Unsicherheit über lange Zeit zu strecken.“ 

Aus Sicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigt die Zinsentscheidung der Währungshüter die momentan schwierige wirtschaftliche Situation auf. „Ein starker Zinsschritt, der verdeutlicht, dass alle sich der Herausforderung stellen müssen, die Inflation zu bekämpfen,“ sagte er. Dies müsse jetzt Priorität haben. „Denn Inflation ist das Verarmungsprogramm für die Familien in der Mitte der Gesellschaft,“ warnte er. 

EZB STELLT WEITERE ZINSANHEBUNGEN IN AUSSICHT

Die Inflation sei nach wie vor deutlich zu hoch und werde voraussichtlich für längere Zeit über dem EZB-Ziel liegen, erklärte die Notenbank. Der große Zinsschritt werde dafür sorgen, dass die Zinsen auf ein Niveau steigen, das eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zur Zielmarke ermögliche. „Das war keine isolierte Entscheidung, sondern eine, dass wir die Zinsen weiter anheben“, sagte Lagarde.

Eine Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte sei dabei aber nicht die Norm. Mit dem großen Zinsschritt solle die Nachfrage gedämpft und der Gefahr eines andauernden Anstiegs der Inflationserwartungen vorgebeugt werden. „Der EZB-Rat hat einstimmig entschieden, die drei Leitzinsen der EZB um 75 Basispunkte anzuheben“, sagte Lagarde. „Wir hatten unterschiedliche Ansichten am Tisch, eine gründliche Diskussion, aber das Ergebnis unserer Diskussionen war eine einstimmige Entscheidung.“ Die EZB will auch weiterhin je nach Datenlage ihre Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung fällen.

Ihre bisherigen Inflationsprognosen hob die EZB angesichts des anhaltenden Preisschubs bei Energie, Lebensmitteln und anderen Gütern erneut an. Ihre Volkswirte erwarten für das laufende Jahr nun eine durchschnittlichen Teuerungsrate in der Euro-Zone von 8,1 Prozent. Noch im Juni lautete die Prognose auf 6,8 Prozent. 2023 werde die Inflation dann voraussichtlich bei 5,5 (Juni-Prognose: 3,5) Prozent liegen. Ihre Konjunkturprognose für 2023 dampften die EZB-Volkswirte dagegen deutlich ein. Sie erwarten für 2023 jetzt nur noch ein schwaches Wachstum von 0,9 Prozent – noch im Juni hatten sie 2,1 Prozent Wachstum prognostiziert. Die Wirtschaft werde sich deutlich verlangsamen, sagte Lagarde. 

Die EZB teilte zudem mit, sie werde die zweistufigen Staffelzinsen beim Einlagensatz abschaffen. Da der Satz inzwischen über Null liege, sei dieses Verzinsungssystem nicht mehr erforderlich. Die EZB hatte bereits im Juli die Negativzinsen abgeschafft. Seitdem müssen Banken keine Strafzinsen mehr zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder anlegen.

EZB beschließt größten Zinsschritt seit Einführung des Euro-Bargelds

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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