Ein Kommentar von Tomasz Wieladek, International Economist bei T. Rowe Price zur Zinserhöhung der EZB:
Auf der Pressekonferenz wurden die folgenden Punkte angesprochen:
- Präsidentin Lagarde bezeichnete die 75 Basispunkte immer wieder als „frontloaded“ und sagte, dies sei nicht die Norm
- Die EZB reagiert eindeutig auf die Energiepreisinflation, da sich der Lohndruck weiterhin in Grenzen hält und die Arbeitslosenquote wahrscheinlich steigen wird
- Sie sagte, dass es zwischen 1-4 weitere Sitzungen mit Zinserhöhungen geben werde.
- Sie sagte, dass die Konjunkturrisiken eher nach unten, die Inflationsrisiken jedoch nach oben gerichtet seien.
- Sie verwies auf ein Abwärtsszenario mit sehr hohen Rohstoff- und Gaspreisen. Dieses Szenario geht von einem durchschnittlichen Ölpreis von 138 im Jahr 2023 gegenüber 119,7 im Jahr 2022 und von einem Anstieg der Gaspreise von 202,3 Eur/Mwh im Jahr 2022 auf 360,6 im Jahr 2023 aus.
- Sehr ungewöhnlich ist, dass sie die implizite Zinsprognose des Anleihemarktes bestätigte
- Die harmonisierte Verbraucherpreisindex-Inflationsprognose für 2024 liegt bei 2,3, was nahe an ihrem Zielwert liegt.
Meine Interpretation der Pressekonferenz: Die EZB wollte den Märkten eindeutig signalisieren, dass sie es mit dem Inflationsziel von 2 % ernst meint. Angesichts der Reaktion der Anleihemärkte vermute ich, dass die EZB davon ausgeht, dass sie ihr Ziel zumindest teilweise erreicht hat. Ihre Konzentration auf die Gesamtinflation ist sehr ungewöhnlich: Wir haben gehört, dass sie sich wegen der Lohndynamik keine Sorgen um die Inflation macht und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet. Dieser Ansatz stellt eine 180-Grad-Wende gegenüber den Draghi-Jahren dar (als die EZB sagte, dass wir stattdessen die Kerninflation des Verbraucherpreisindex betrachten sollten).
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die EZB die Risiken für die Realwirtschaft erheblich unterschätzt. Ich denke jedoch, dass die EZB die Zinssätze so lange erhöhen wird, bis klar wird, dass sie sich in einer Rezession befindet. Ich denke, dass wir anlässlich der nächsten Sitzung einen Zinsschritt von 50 Basispunkten sehen werden. Schlussendlich hängt dies von den aktuellen Daten ab. Wenn wir beim nächsten PMI eine deutliche Korrektur sehen, werden es eher 50 Basispunkte sein, andernfalls könnten weitere 75 folgen.
EZB: „180-Grad-Wende gegenüber Draghi“
Foto von Tomasz Wieladek (Quelle: T. Rowe Price)
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