Warschau, 28. Aug – Im Streit über Polens Justizsystem laufen europäische Richter Sturm gegen die jüngste Genehmigung milliardenschwerer EU-Fördergelder für Warschau. Vier europäische Vereinigungen von Richtern und Richterinnen teilten am Sonntag mit, dass sie vor dem Gericht der Europäischen Union (EU) die Rücknahme der jüngsten EU-Entscheidung zugunsten Polens verlangten. Im Ringen um die Unabhängigkeit ihrer polnischen Kollegen geht den Richtervereinigungen die in Warschau angestoßene Justizreform nicht weit genug. Sie reiche nicht aus, um wirksamen rechtlichen Schutz zu bieten. Sie missachte zudem einschlägige Urteile des Europäischen Gerichtshofs, so die Vereinigungen.
Bei den Hilfen geht es um 23,9 Milliarden Euro an Zuschüssen und weitere 11,5 Milliarden Euro an zinsgünstigen Darlehen. Anfang Juni waren die Fördergelder von den Wirtschafts- und Finanzministern der EU freigegeben worden, nachdem Polens Parlament für die Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter gestimmt hatte. Die Kammer soll durch ein neues Gremium ersetzt werden. Die EU-Kommission hatte die Disziplinarkammer als Gefahr für die Unabhängigkeit der Richter gewertet. Der Europäische Gerichtshof verurteilte Polen im Oktober zur Zahlung eines Zwangsgeldes von einer Million Euro pro Tag, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Kammer zunächst verweigerte.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte nach der Genehmigung der Hilfen betont, mit den Auszahlungen der Gelder könne erst begonnen werden, wenn die Reform des Justizsystems abgeschlossen sei. Die Richtervereinigungen erklärten nun, ihr Gang vor das Gericht der EU habe nicht unmittelbar zur Folge, dass die Genehmigung ausgehebelt werde. Ein solcher Vorstoß könnte aber folgen. Ein Sprecher der polnischen Regierung war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Europäische Richter gehen gegen EU-Milliardenhilfen für Polen vor
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
Event Tipp 28. & 29. September: MediaTech Hub Conference Programm und Infos