Brüssel/Berlin, 26. Jul (Reuters) – Die EU-Länder haben sich angesichts deutlich gedrosselter Lieferungen aus Russland auf einen Einsparplan für Gas geeinigt. Das teilte die tschechische EU-Ratspräsidentschaft am Dienstag mit. Damit soll verhindert werden, dass im Winter Beschränkungen nötig werden und ganze Industriezweige kein Gas mehr bekommen.
Der Vereinbarung liegt ein Kompromiss zugrunde, der die ursprünglichen Pläne abschwächt. EU-Staaten sollen nun zwischen August 2022 und März nächsten Jahres 15 Prozent Gas einsparen. Das Ziel ist zunächst freiwillig, kann aber im Fall einer Versorgungsnotlage zur Pflicht werden. Als Vergleich dient der Schnitt aus den betroffenen Monaten in den Jahren 2016 bis 2021. Wie die Einsparungen erzielt werden, kann jedes Land für sich entscheiden.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte, es sollten genug Einsparungen zusammenkommen, um einen durchschnittlichen Winter bestehen zu können, selbst wenn Russland seine Lieferungen komplett einstelle. „Insgesamt ist es ein vernünftiger, guter, weiterer Schritt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor dem Treffen der EU-Energieminister in Brüssel. „Er zeigt, dass Europa geschlossen ist.“ Deutschland stehe dieses Jahr bislang bei 14 oder 15 Prozent Einsparungen, was sich zum Winter hin aber noch verändern könne. Mit den weiteren von der Regierung auf den Weg gebrachten Sparplänen sei das Ziel erreichbar.
Allerdings gibt es mehrere Ausnahmen. So müssen Staaten, die nicht mit dem europäischen Gas-Leitungsnetz verbunden sind, die Auflagen nicht erfüllen. Das betrifft etwa Inselstaaten wie Malta oder Irland. Sollten Staaten für kritische Lebensbereiche wie etwa die Nahrungsmittelproduktion stark auf Gas angewiesen sein, können auch sie Ausnahmeregelungen beantragen. Auch der Bedarf für die energieintensive Stahlindustrie kann rausgerechnet werden. Der Sparplan soll für ein Jahr gelten und bis Mai 2023 überprüft werden.
MINDESTENS ZWEI SCHWIERIGE WINTER
„Wir müssen uns auf mindestens zwei schwierige Winter einstellen“, warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Ziel müsse sein, die eng verwobenen europäischen Lieferketten zu erhalten und den Schaden aus den hohen Strom- und Gaspreisen sowie möglichen Engpässen für Unternehmen möglichst gering zu halten.
Die EU hat umfangreiche Sanktionen gegen Russland wegen dessen Angriff auf die Ukraine verhängt. Seit Wochen sind die Gaslieferungen nach Europa deutlich reduziert. Ab Mittwoch dürften sie noch einmal auf 20 Prozent der möglichen Kapazität halbiert werden. Ein vollständiger Abbruch der Lieferungen wird teilweise für möglich gehalten und könnte Experten zufolge eine schwere Rezession nach sich ziehen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärte, Russland sei schon länger kein verlässlicher Lieferant mehr. Es sei damit zu rechnen, dass mit Vorwänden Lieferungen mal erhöht, dann wieder gekürzt oder ganz ausgesetzt werden dürften.
Ursprünglich sollte für alle EU-Länder eine verbindliche Einsparung um 15 Prozent vorgeschrieben werden. EU-Vertreter sagten, Ungarn sei das einzige Land gewesen, dass den Kompromiss nicht mitgetragen habe. Griechenland und Polen hatten sich gegen verpflichtende Maßnahmen ausgesprochen. Einige EU-Diplomaten äußerten die Sorge, die Folge der Ausnahmen könne sein, dass am Ende zu wenig Gas eingespart werde.
EU-Länder einigen sich auf zunächst freiwilligen Gas-Sparplan
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