Ein Marktkommentar von Christian-Hendrik Knappe, Börsenexperte bei Spectrum Markets:
„Wegen ihrer energieintensiven Validierungsmechanismen stehen einige Blockchain-Protokolle in der Kritik. Obwohl ein europäisches Verbot des besonders energiehungrigen Proof-of-Work-Prozesses zumindest vorerst vom Tisch ist, könnten kommende Nachhaltigkeitsregulierungen die nächste Herausforderung für diese Art von Protokollen bereithalten. Gleichzeitig ist die Nachfrage der Anleger nach ESG-Anlagen höher denn je, während die jüngsten Entwicklungen am Kryptomarkt der Popularität von Bitcoin & Co. nicht wirklich geschadet haben. Doch wie passen ESG und Kryptoinvestitionen zusammen und worauf müssen sich Anleger einstellen?
Zunächst sollte mit Blick auf die Umweltverträglichkeit von Schürfprozessen auf die Verhältnismäßigkeit geschaut werden. So wird beispielsweise bereits jetzt intensiv darüber diskutiert, warum als nachhaltig gelabelte Investmentfonds in Fluggesellschaften oder sogar Ölkonzerne investieren dürfen. In diesem Zusammenhang steht der Energieverbrauch des PoW-Mechanismus möglicherweise nicht an erster Stelle der Nachhaltigkeits-Bedenken von Anlegern oder der Aufsicht. Mit 23 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen pro Jahr ist das Schürfen von Bitcoin keine umweltfreundliche Angelegenheit, diese Tatsache kann nicht geleugnet werden.
Um jedoch nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, müsste man dies mit der Herstellung bzw. Verarbeitung von Baumwolle, Folie, Fäden, Papier und Tinte für Banknoten auf globaler Ebene vergleichen oder mit der Energie für deren Druck, für die Herstellung von Münzen, Geldtransporte, den Betrieb von Geldautomaten, Entsorgungsprozesse wie das Schreddern und Verbrennen von Banknoten oder die Entwertung von Münzen. Und solange die Taxonomie-Verordnung Atomkraft und Erdgas als grüne Energieträger einstuft, erscheint die Kritik am PoW-Mechanismus ein wenig heuchlerisch.
Dennoch gibt es sicherlich Protokolle, die weniger Ressourcen verbrauchen als der unter anderem dem Bitcoin zugrunde liegende PoW-Konsensmechanismus. Bei PoW werden mathematische Aufgaben gelöst, um einer Blockchain neue Blöcke hinzuzufügen. Dieser „Mining“-Prozess erfordert eine erhebliche Menge an Energie, die zunimmt, wenn die Blockchain wächst und mehr Miner in diesem Konsensmechanismus aktiv werden. Sein hoher Stromverbrauch hat PoW weltweit auf den Radar der Regulierungsbehörden gebracht. Allerdings wurde ein PoW-Verbot nicht in den Entwurf der MiCA-Verordnung aufgenommen. Ob Vermögensverwaltern, die PoW-basierte Produkte vertreiben oder deren Herstellern neue Herausforderungen in Form von strengeren Nachhaltigkeits- und Offenlegungsanforderungen bevorstehen, bleibt somit abzuwarten.
Alternativen zum PoW
Der Proof of Stake (PoS)-Mechanismus, auf den beispielsweise Ethereum umgestellt werden soll, wird allgemein als weniger umweltschädliche Alternative zum PoW angesehen. PoW nutzt einen Validierer für die Verifizierung jedes Blocks, wobei der „Rechenwettbewerb“ der Validierer um die Chance, einen Block zu verifizieren, den energieintensiven Vorgang darstellt. Beim PoS wird dem Protokoll vorhandene Coins für einen bestimmten Zeitraum angeboten und durch die Festlegung dieses „stake“ genannten Einsatzes das Recht, Transaktionen zu validieren. Bei dieser zufällig verteilten Verantwortung für die Blockvalidierung wird weniger Energie verbraucht als beim PoW-Prozess, und die Validierung selbst benötigt ebenfalls eine geringere Rechenleistung.
Härtere Umweltregulierung für Krypto-Prozesse?
Es gibt immer noch eine große Zurückhaltung, die Entwickler-Community zu entfremden, da die verschiedenen Wirtschaftsräume darum konkurrieren, die Designer dieser vielversprechenden neuen Technologie anzuziehen. Ein Krypto-Hub zu werden, kann sowohl Technologieführerschaft bedeuten als auch zum Nutznießer von Folgeeffekten zu werden, die die Ansiedlung einer Branche oder Dienstleistung üblicherweise mit sich bringt. Darüber hinaus haben die politischen Entscheidungsträger erkannt, dass sich die Wirksamkeit von Verboten, Beschränkungen oder Vorschriften proportional zu ihrer einheitlichen Umsetzung verhält.
Als die chinesische Regierung beschloss, Transaktionen in und das Mining von Bitcoin zu verbieten, hatte dies Auswirkungen auf den Absatzmarkt, da Peking die Transaktionen lokal unter Strafe stellen konnte. Die Hashrate ging jedoch nicht zurück, da die in China eingestellte Mining-Kapazität schnell von anderen Ländern kompensiert wurde: Der Produktionsmarkt blieb also unbetroffen.
Klar ist: wenn es heute einen Prozess gibt, der zu sehr auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe setzt, sollte sich dies ändern, unabhängig davon, um welches Produkt oder welche Branche es sich handelt und auch unabhängig davon, ob gerade Versorgungsengpässe vorliegen oder nicht. Es passieren bereits eine Menge Dinge, die den Energieverbrauch des PoW-Mechanismus reduzieren werden.
Das beginnt damit, dass die Mining-Hardware energieeffizienter wird und schließt alle Initiativen ein, die auf die Nutzung erneuerbarer Energien abzielen – wie etwa das gemeinsame Projekt des Zahlungsanbieters Block mit Tesla und dem Blockchain-Dienstleister Blockstream. Ihr geplantes netzunabhängiges Mining-Zentrum wird nach eigenen Angaben[1] über 3,8 Megawatt an erneuerbarem Solarstrom erzeugen und über eine Batteriespeicherkapazität von 12 Megawattstunden verfügen.“
ESG und Kryptoinvestitionen – ein Interessenkonflikt?
Foto von Christian-Hendrik Knappe (Quelle: Spectrum Markets)
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