Berlin, 16. Nov – Am Ende konnte Olaf Scholz seine Zufriedenheit kaum verbergen. Nach Abschluss des G20-Gipfels lobte der Kanzler noch von Bali aus die „erstaunlich klaren“ Worte in der gemeinsamen Erklärung der Industrie- und Schwellenländer zu Russland. Denn in dem 16-seitigen Kommuniqué, dem alle G20-Staaten am Ende zustimmten, wird Russland wegen seiner „Aggression“ gegen die Ukraine klar verurteilt. „Die meisten Mitglieder haben den Krieg in der Ukraine auf das Schärfste verurteilt „, heißt es dort.
Zwar wird darauf verwiesen, dass es im G20-Kreis auch „andere Sichtweisen und unterschiedliche Bewertungen“ gegeben habe. Aber Scholz war nicht der Einzige, der eine zunehmende Isolierung Russlands feierte – und darauf hofft, dass Präsident Wladimir Putin sein Scheitern eingestehen und sich Richtung Ende des Angriffskrieges bewegen könnte.
Dabei hatte Scholz die Latte für einen Erfolg vor dem G20-Gipfel deutlich niedriger gelegt. Bei einem Besuch in Peking hatte er bereits begrüßt, dass auch Chinas Präsident Xi Jinping vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine warnte. Das war als zentimeterweises Abrücken Pekings vom russischen Verbündeten wahrgenommen worden – und Scholz hatte im Vorfeld die gemeinsame Warnung vor Atomwaffen als möglichen Erfolg auf dem Gipfel bezeichnet. Nun geht die Abschlusserklärung aber deutlich weiter. „Der russische Präsident steht mit seiner Politik in der Welt fast allein da. Er hat keine starken Bündnispartner“, jubelte Scholz.
SPRECHEN MIT DEN SCHWIERIGEN LÄNDERN
Tatsächlich kann sich der Kanzler zugute halten, den richtigen Ansatz gewählt zu haben: Denn ausdrücklich hatte Scholz seit Kriegsbeginn am 24. Februar gefordert, man dürfe nicht nur im Kreise der G7-Staaten reden, die sich in ihrem Plädoyer für Demokratie, Frieden, Menschenrechte und Rechtsstaat ohnehin einig seien.
Also suchte der Kanzler als selbsternannter Brückenbauer selbst den Dialog mit schwierigeren Partnern. Zum G7-Gipfel in Elmau lud er ausdrücklich auch Staaten ein, die in der UN-Vollversammlung das russische Vorgehen nicht kritisiert hatten. Dazu gehören etwa die G20-Länder Indien und Südafrika. Er suchte den Kontakt zu Senegal, Argentinien, Vietnam oder Saudi-Arabien. Er ließ sich von den eigenen Ampel-Partnern Grüne und FDP sogar für einen eintägigen China-Trip kritisieren.
Nur so, so beschrieb der Kanzler mehrfach selbst seine Rolle, könne man in einer multipolaren Welt überhaupt noch einen Konsens herstellen. In Bali verwies er darauf, dass nach Indonesien jetzt mit Indien das zweite wichtige Schwellenland auf der Südhalbkugel den G20-Vorsitz übernehmen wird. Regierungsintern wird mittlerweile kritisiert, dass sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ein Vorbild bei Scholz (SPD) nehmen sollte – und selbst mehr mit denen in der Welt reden müsse, die gerade nicht die eigenen Werte teilten. „Das ist das Wesen der Diplomatie“, betont ein führendes Mitglied der Ampel-Koalition.
Möglicherweise hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Entwicklung schon geahnt und war deshalb erst gar nicht nach Bali gereist – weil er wusste, dass sich China, Indien oder Südafrika nicht für ihn verkämpfen würden. Nach außen scheuen sie einen offenen Konflikt mit einem Land, von dem sie Gas, Öl oder Waffen beziehen. Aber alle haben mit den Kriegsfolgen etwa durch die stark gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise zu kämpfen. Für die Führung in Peking ist viel wichtiger, dass sich die westlichen Länder in der Erklärung zum Welthandel bekennen, ohne sich kritisch mit China auseinander zu setzen.
„Der Grund ist vor allem die gemeinsame Sorge, dass der andauernde Krieg die Weltwirtschaft weiter belastet“, heißt es in Regierungskreisen. Denn auch autoritäre Regierungen stehen zuhause unter Druck, müssen Wachstum liefern. „Zudem hat sich Russland mit den massiven Raketenangriffen auf zivile Ziele am Dienstag keinen Gefallen getan“, beschreibt ein EU-Diplomat die Stimmung auf Bali.
„Der G20-Gipfel entpuppt sich als herbe Niederlage für Putin“, sagt deshalb Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul zu Reuters. Er sieht dies allerdings vor allem als Erfolg für US-Präsident Joe Biden, „der im Hintergrund auf große Geschlossenheit der übrigen G19 hingewirkt hat“. Auch Bidens dreistündiges Gespräch mit Xi habe geholfen.
Es wird einsamer um Russland – G20-Gipfel watscht Putin ab
Quelle: Reuters
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