Mit etwas Verzögerung im Vergleich zu den USA, aber umso schneller richten sich erfolgreiche Gründerinnen und Gründer neu aus und setzen auf Ideen, die gesellschaftliche Probleme lösen sollen: mit der Gründung neuer Startups, mit Investments in Impactfonds und zunehmend auch mit einer ganz eigenen Philanthropie
Die German Startup Awards sind normalerweise ein Ort, an dem sich die deutsche Start-up-Szene für Finanzierungsrunden, Bewertungen und Exits feiert. An diesem Frühsommerabend im Mai aber war etwas Neues zu beobachten: In allen Kategorien konzentrierten sich die meisten Nominierten darauf, gesellschaftliche Probleme zu lösen, anstatt den nächsten Lieferdienst oder die nächste Unternehmenssoftware zu skalieren.
Unter den Nominierten und den Siegern fanden sich etwa eine Recruiting-Agentur für Einwanderinnen und Einwanderer, ein Integrationsdienst für Geflüchtete und ein Natur-Bildungsprogramm. Sowohl die Preise für Investorin als auch für Investor des Jahres gingen an Geldgebende, die sich als „Impact Investors“ beschreiben. Alle Nominierten für „Investor des Jahres“ waren Initiatoren von Fonds, die Start-ups finanzieren, die gegen den Klimawandel antreten.
Wer den Szenegrößen auf LinkedIn, Facebook und Instagram folgt, kann den Trend schon länger beobachten: Der Angel-Veteran Christian Vollmann hat nach dem Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de kürzlich mit C1 Chemicals ein zweites „Impact Start-up“ gegründet, und Anna Alex hat nach dem Verkauf von planet.ly jetzt ein Unternehmen gegründet, das die Auswirkungen von Unternehmen auf die Biodiversität messbar machen soll.
Das sind die Gründungen, von denen auch die Rede ist, wenn sich das Who is Who der erfolgreichen Gründer parallel zur Berliner Preisverleihung im Alpen-Idyll Kitzbühel zum „European Entrepreneurs Forum“ trifft. Dorthin haben die Organisatoren sich keine US-Vorbilder eingeladen, sondern als „Inspirational Leaders“ ein Dutzend Social Entrepreneurs, um die nächsten Business-Ideen zu inspirieren.
Auch wenn die neuen Finanzierungsrunden aktuell nicht mehr so groß ausfallen wie noch bis vor kurzem – in den Jahren 2020, 2021 und auch noch 2022 haben mehr Gründerinnen und Gründer große Exits gemacht als je zuvor. Viele von ihnen suchen nach Ideen, die anders aussehen als die, die sie reich gemacht haben: Sie sollen dringende Probleme lösen, sie müssen nicht mehr das Geld vervielfachen, man will sie den eigenen Kindern erklären können, die am Familientisch vielleicht danach fragen, was Geld in einer vier Grad heißeren Welt noch wert ist.
Die Hinwendung der Digitalgründerinnen und Digitalgründer zur Weltverbesserung ist in den USA bereits viel weiter. Der Economist hat berechnet, dass zwei Drittel der großen Spenden und Stiftungsengagements aus der Technologie-Szene kommen. Dabei sieht ihre Philanthropie ganz anders aus als die der vorangegangenen Generationen: Traditionelle Stiftungen mit Ewigkeitsvermögen sind out, Stiftungen wie die Gates Foundation bauen ihr Vermögen über die Zeit ab und schütten daher ein Vielfaches pro Jahr aus.
Stilprägend war auch Mackenzie Scott, die mehrere Hundert Amazon-Millionen einfach direkt und ohne eine neue Organisation zu gründen an soziale Initiativen gegeben hat. Die bei weitem größte Veränderung ist aber der Aufstieg der Donor Advised Funds. Über 150 Milliarden Dollar liegen inzwischen in diesen digitalen Spendensparkonten, die wie kleine Online-Stiftungen funktionieren, nahezu ohne Verwaltungskosten und mit digitaler Oberfläche.
In Deutschland werden diese Trends gerade aufgenommen: Auch wenn die Größenordnungen noch kleiner sind und die meisten Gründerinnen und Grüner gerade am Anfang ihrer philanthropischen Reise stehen, Stiftungen mit Ewigkeitsvermögen sucht man vergeblich. Dafür gründet man GmbHs, die nicht nur spenden, sondern auch flexibel ihr Vermögen mit positiver Wirkung investieren können.
Ganz neu sind die Online-Stiftungen, die inzwischen neben Anna Alex und Christian Vollmann auch Verena Pausder und Lea-Sophie Cramer gegründet haben. Letztere war auch als Investorin des Jahres bei den German Startup Awards unter den letzten drei. Vielleicht gibt es das nächste Jahr ja eine weitere Kategorie: Philanthropin und Philanthrop des Jahres.
Autor
Felix Oldenburg ist Co-Gründer des Impact-Startups project bcause. Das Ziel des „Giving Fintech“: Mit der „Stiftung für die nächste Generation“ mehr Vermögen für grüne und soziale Zwecke hebeln.
Fotograf: Christian Klant
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