New York/London, 28. Sep – Die Turbulenzen am Devisenmarkt haben die Finanzmärkte immer stärker im Griff und bringen selbst hartgesottene Händler um den Schlaf. „Es ist im Moment wirklich wie in einem Kasino“, sagt John Doyle, Devisenexperte beim Finanzinstitut Monex USA. Auf Trab hält die Händler vor allem der Absturz des Pfund Sterling nach der Ankündigung der neuen britischen Premierministerin Liz Truss, mit milliardenschweren Hilfen die hohen Energiepreise abfedern und zugleich die Steuern senken zu wollen.
Zweifel an der Finanzierung der Projekte ließen die britische Währung zu Wochenbeginn auf ein Allzeittief von 1,0327 Dollar fallen. Der Höhenflug des Dollar auf den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten setzt indes weltweit Währungen unter Druck. Der Euro sackte weiter unter der Parität zum Dollar. Die Bank of Japan versuchte jüngst, sich mit einem historischen Eingriff am Devisenmarkt gegen die Schwäche des Yen zu stemmen, während die britische Notenbank mit Anleihekäufen für Ruhe sorgen will.
Das rasante Tempo der Pfund-Talfahrt hat selbst langjährige Devisenhändler überrascht. Die Börsianer sahen sich beim Pfund an drastische Kurs-Ausschläge bei Währungen von Schwellenländern erinnert. Akshay Kamboj, Investmentexperte bei Crawford Ventures, einem Hedgefonds, der mit Währungen handelt, sagte, er habe zwar mit einer kräftigen Kurskorrektur des Pfunds gerechnet, „aber nicht in diesem Ausmaß“. „Es waren ganz sicher ein paar hektische Tage, und es fehlte an Schlaf“, sagte Michael Brown vom Zahlungsdienstleister Caxton in London. Auch an den Anleihemärkten kam es zu heftigen Kursreaktionen. Die Rendite der zweijährigen britischen AnleihenGB2YT=RR war binnen zwei Tagen um mehr als einen vollen Prozentpunkt nach oben geschossen.
BANK OF ENGLAND WILL MÄRKTE STABILISIEREN
Die britischen Währungshüter sahen sich gezwungen dem entgegenzuwirken und werden ab dem 28. September Staatsbonds mit langer Laufzeit erwerben, um „geordnete Marktbedingungen wiederherzustellen.“ Das bringe ein wenig Ruhe für die Börsen, sagte Carlo Franchini, Investmentexperte von der Banca Ifigest. „Endlich bewegt sich eine Notenbank mal in die richtige Richtung“, ergänzte er. Die Rendite der besonders zinssensiblen zweijährigen britischen Anleihen sank nach der Ankündigung bis auf 4,250 Prozent von zuvor 4,550 Prozent und entfernte sich damit deutlich von ihrem am Dienstag erreichten Vierzehn-Jahres-Hoch. Die Verzinsung der zehnjährigen Papiere sackte auf 4,010 von 4,558 Prozent ab. Die Notenbank habe zwar mit ihrer Ankündigung auf kurze Sicht einen Boden für die Kurse gebildet, sagte Charles Diebel, Rentenexperte bei Mediolanum Asset Management. „Die prozyklische Fiskalpolitik bleibt jedoch bestehen, und daher wird die Atempause möglicherweise nicht von langer Dauer sein.“
„PFUND IST NOCH NICHT ÜBER DEN BERG“
An den Devisenmärkten rechneten einige Börsianer ohnehin nicht mit einem Ende des hektischen Auf und Ab. „Ich habe das Gefühl, dass der Boden für weitere ungeordnete Bewegungen bereitet ist“, gab Bipan Rai, Devisenstratege, bei CIBC Capital Markets zu bedenken. Nach der Ankündigung der Bank of England ging das Pfund auf wilde Achterbahnfahrt und fiel zeitweise um 1,7 Prozent auf 1,0565 Dollar. Auf Monatssicht droht dem Pfund der höchste Verlust seit der Brexit-Abstimmung im Juni 2016, auf Jahressicht summiert sich das Minus auf rund 20 Prozent.
Immer häufiger werden Stimmen laut, die das Pfund weiter in Richtung Dollar-Parität absacken sehen. „Das Pfund Sterling ist noch lange nicht über den Berg“, sagte etwa Stuart Cole, Ökonom bei Equiti Capital. Auch die Währungshüter in der Euro-Zone und in den USA sind angesichts der Marktturbulenzen alarmiert. „Es ist wichtig, der Unsicherheit nicht noch mehr Unsicherheit hinzuzufügen und Kurs zu halten“, sagte Frankreichs Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau am Dienstag im Finanzausschuss des französischen Parlaments. Als Gründe für die Turbulenzen nannte er die Zuflüsse in den Dollar aufgrund dessen Status als sicherer Hafen für Investoren, aber auch die Ankündigung eines massiven Haushaltsdefizits seitens der britischen Regierung.
Bereits am Montag hatte der Präsident des Federal-Reserve-Ablegers in Atlanta, Raphael Bostic, der „Washington Post“ gesagt, Grossbritannien riskiere mit den neuen Fiskalplänen, zusätzlichen ökonomischen Stress in Europa und in den USA auszulösen. „Die britischen Märkte werden jetzt hypersensibel auf jede Mitteilung der britischen Entscheidungsträger reagieren“, sagte ING-Marktexperte Chris Turner voraus. Finanzminister Kwasi Kwarteng hat für den 23. November seinen mittelfristigen Finanzplan angekündigt und damit knapp drei Wochen nach der nächsten geplanten geldpolitischen Sitzung der BoE.
Devisen-Turbulenzen bringen Händler um den Schlaf – „Wie im Kasino“
Quelle: Reuters
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