Sonntag, Dezember 22, 2024
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„Der Vogel ist befreit“ – Musk übernimmt Macht bei Twitter

New York, 28. Okt – Elon Musk hat bei Twitter die Macht übernommen und umgehend die ersten Zeichen gesetzt. „Der Vogel ist befreit“, twitterte der Gründer des Elektroauto-Bauers Tesla am Donnerstag (Ortszeit) in Anspielung auf das Logo von Twitter, einen kleinen blauen Vogel. Er hatte angekündigt, die strengen Regeln für die Inhalte des Kurznachrichtendienstes zu lockern, die die Millionen Twitter-Nutzer posten dürfen. Nach einem monatelangen Tauziehen ist der als exzentrisch geltende Milliardär nun offiziell der Eigentümer des Social-Media-Netzwerks, das er sich 44 Milliarden Dollar kosten ließ. Unmittelbar danach feuerte Musk Twitter-Chef Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal und Chef-Justiziarin Vijaya Gadde.

Agrawal und Segal seien von Sicherheitskräften aus der Twitter-Zentrale in San Francisco geleitet worden, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Biz Stone, einer der Mitgründer des Netzwerks, dankte den drei Top-Managern auf seinem eigenen Account: „Alles riesige Talente, und jeder ein wundervoller Mensch.“ Musk änderte die Selbstbeschreibung auf seinem Twitter-Account auf „Chief Twit“. Der reichste Mann der Welt wolle nun zumindest vorerst selbst die Führung des Unternehmens übernehmen, das am Freitag Abschied von der New Yorker Börse nimmt, sagte ein Insider. Twitter, Musk und die Manager nahmen dazu zunächst keine Stellung.

Musk hatte den Twitter-Führungskräften vorgeworfen, ihn und die Investoren über die Zahl gefälschter Konten auf der Social-Media-Plattform getäuscht zu haben. Nach offiziellen Angaben sind es weniger als fünf Prozent „Fake Accounts“. Im Streit um die Unterlagen hatte Musk gedroht, die im Frühjahr verkündete Übernahme deswegen ganz abzublasen.

MUSK – ICH WILL DER MENSCHHEIT HELFEN, DIE ICH LIEBE 

Was der Chef von Tesla und des Raumfahrtunternehmens Space X mit Twitter vorhat, ist unklar. Musk hat Stellenstreichungen in der 7500 Mitarbeiter starken Belegschaft von Twitter angekündigt, versucht nun aber, ihnen die Sorgen vor Massenentlassungen zu nehmen und auch die Werbekunden bei der Stange zu halten.

„Twitter darf kein gesetzloses Höllenloch werden, wo man alles sagen kann, ohne Konsequenzen zu fürchten“, schrieb er in einem offenen Brief an die Werbekunden. Die Plattform dürfe keine Echokammer für Hass und Spaltung werden. Er habe Twitter nicht gekauft, um noch mehr Geld zu verdienen, sondern „um zu versuchen, der Menschheit zu helfen, die ich liebe“, erklärte Musk. Die größten personellen Einschnitte fürchten Mitarbeiter aber ausgerechnet in dem Team, das Twitter von schädlichen und illegalen Inhalten säubert. „Stellen sie sich eine Welt vor, wo all diese Leute weg sind“, sagte ein Mitarbeiter. „Das ist ein Höllenloch.“

„DER VOGEL FLIEGT NACH EU-REGELN“

EU-Industriekommissar Thierry Breton forderte Musk auf, sich an die Vorschriften zu halten. „In Europa fliegt der Vogel nach unseren EU-Regeln“, schrieb er am Freitagmorgen – auf Twitter. Danach drohen Firmen, die illegale Inhalte auf ihren Social-Media-Plattformen nicht kontrollieren, empfindliche Strafen. Die Bundesregierung will die Entwicklung von Twitter unter Musk abwarten und danach entscheiden, ob sie dort weiter präsent bleibt: „Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten die möglichen Veränderungen der Plattform beobachten, um dann unsere eigenen Schlüsse zu ziehen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin.

Im Mai hatte Musk angekündigt, die seit dem Sturm auf das Kapitol geltende Sperrung des Twitter-Kontos von Ex-US-Präsident Donald Trump rückgängig zu machen. Doch Trump hat erklärt, er wolle nicht auf die Plattform zurückkehren. Er hat inzwischen seine eigene Social-Media-App „Truth Social“DWAC.O gegründet. Diese ringt allerdings noch um ihren geplanten Börsengang.

Investoren freuen sich dagegen auf Musk. Steve Johnson vom australischen Fondsmanager Forager sagte, er werde bei Twitter genauso umbarmherzig vorgehen wie in seinen anderen Unternehmen, nach dem Motto: „Wenn du hier einen Job hast, musst du auch etwas produzieren, das Wert für das Unternehmen schafft. Und das ist es, was diese Firma seit langem braucht.“

Musk hat angedeutet, er wolle Twitter zu einer „Super App“ weiterentwickeln, die ihren Nutzern alles vom Geldtransfer über Online-Käufe bis zum Taxiruf ermöglichen soll. Experten zweifeln aber, dass sich Apple und Google mit ihren App-Stores das gefallen lassen werden. Und angesichts des Wirbels um die Übernahme durch Musk droht das Unternehmen seine aktivsten Nutzer zu verlieren. Diese „Heavy Tweeter“ machen zwar nur zehn Prozent der Nutzer aus, stehen aber für 90 Prozent aller Tweets und für die Hälfte des weltweiten Umsatzes.

DRAMA UM ÜBERNAHME DAUERTE EIN HALBES JAHR

Das Drama um Musk und Twitter hatte am 4. April begonnen, als der Selfmade-Milliardär eine Beteiligung von 9,2 Prozent offenlegte, mit der er sich zum größten Aktionär von Twitter aufschwang. Zunächst war unklar, ob sein Übernahmeangebot über 54,20 Dollar je Aktie ernst gemeint war. Doch es war Musk ernst: Ohne wie bei Übernahmen üblich die Bücher zu prüfen, schlug er eine Woche später ein. Erst danach schürte er Zweifel an den öffentlich verfügbaren Daten, etwa zu gefälschten Konten, und beschuldigte die Twitter-Führung, Informationen zurückzuhalten, und wollte die Übernahme abblasen. Doch das Management klagte vor Gericht auf den Vollzug der Transaktion, bis Musk in letzter Minute einlenkte. „Ich und die anderen Investoren zahlen jetzt zu viel“, sagte er kürzlich. „(Aber) das langfristige Potenzial von Twitter liegt in einer ganz anderen Größenordnung.“

„Der Vogel ist befreit“ – Musk übernimmt Macht bei Twitter

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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