Peking/Taipeh, 05. Aug (Reuters) – China verschärft seine Reaktion auf den Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi und fährt die Kontakte zu den Vereinigten Staaten auf mehreren Ebenen herunter. Unter anderem wurden ein geplantes Treffen militärischer Spitzenvertreter beider Seiten abgesagt und die bilateralen Klima-Gespräche ausgesetzt, wie das Außenministerium in Peking am Freitag mitteilte. Zudem habe China Sanktionen gegen Pelosi und die unmittelbaren Angehörigen der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses beschlossen.
Damit werden die ohnehin gespannten Beziehungen der beiden Supermächte inmitten des Ukraine-Kriegs weiter belastet. Zugleich setzte die Volksrepublik ihre bislang größten Manöver in den Gewässern um Taiwan als Reaktion auf den Pelosi-Besuch fort und demonstrierte damit militärische Stärke. Die Entwicklung schürte die Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts um Taiwan, das China als eigenes Staatsgebiet betrachtet.
Pelosi habe mit ihrem Besuch der Insel boshaft und provokativ gehandelt, begründete das chinesische Außenministerium sein Vorgehen gegen die Spitzenpolitikerin, die mit ihrem Amt in der Nachfolge des US-Präsidenten an zweiter Stelle nach der Vizepräsidentin kommt. „Trotz Chinas ernsthafter Bedenken und entschiedenen Widerstands bestand Pelosi darauf, Taiwan zu besuchen, sich ernsthaft in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, Chinas Souveränität und territoriale Integrität zu untergraben, die Ein-China-Politik mit Füßen zu treten und den Frieden und die Stabilität der Taiwanstraße zu bedrohen.“
Im Rahmen der ausgesetzten Gesprächskanäle soll auch die Kooperation im Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität und den Drogenhandel sowie die Zusammenarbeit bei der Rückführung illegal eingereister Migranten auf Eis gelegt. Betroffen davon sind auch die Gespräche über maritime Sicherheit.
Pelosi hatte Mitte dieser Woche im Rahmen ihrer Asien-Reise trotz massiver Drohungen aus China auch Taiwan besucht. Sie hatte ihre Stippvisite als Zeichen der Solidarität mit der auf Unabhängigkeit beharrenden, von China aber als eigenes Staatsgebiet beanspruchten Insel bezeichnet. Es war der hochrangigste US-Besuch im Taiwan seit 25 Jahren. Von der US-Regierung war der Besuch der Parteifreundin von Präsident Joe Biden nicht offiziell abgesegnet worden, auch in Pelosis offiziellem Reiseplan tauchte Taiwan im Vorfeld nicht auf. In Erwartung des Besuchs hatten sich die Spannungen zwischen China und den USA aber bereits in den Tagen zuvor verschärft.
China hatte massiv vor einem solchen Besuch gewarnt, über dessen Möglichkeit US-Außenminister Anthony Blinken mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi bereits beim G20-Treffen in Indonesien im vergangenen Monat gesprochen hatte. Blinken hatte damals darauf verwiesen, dass ein solcher Besuch allein Sache Pelosis sei. Die Führung in Peking betrachtet Besuche von US-Vertretern in Taiwan allerdings als ein ermutigendes Signal für die Unabhängigkeitsbefürworter. Der Status Taiwans, das nur von wenigen Ländern als unabhängig anerkannt wird, ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den beiden Supermächten.
BLINKEN: CHINAS MANÖVER UNGERECHTFERTIGT
Blinken bezeichnete die chinesischen Manöver als eine unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Eskalation, für die es keine Rechtfertigung gebe. Die USA würden keine Maßnahmen ergreifen, um eine Krise zu provozieren, aber sie würden weiterhin ihre regionalen Verbündeten unterstützen und den normalen Luft- und Seetransit durch die Taiwanstraße durchführen, sagte er am Rande eines Treffen des südostasiatischen Staatenbundes Asean in Kambodscha.
China setzte auch seine großangelegten Militärmanöver um Taiwan herum fort. Nach übereinstimmenden Angaben aus Japan und Taiwan wurden auch Raketen über die Hauptstadt Taipeh abgefeuert. Außerdem überquerten nach Angaben aus Taiwan erneut etwa zehn Marineschiffe und 20 Militärflugzeuge kurzzeitig die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der vielbefahrenen Taiwanstraße.
Pelosi wies Kritik an ihrem Besuch bereits vor Ankündigung der Sanktionen zurück. „Bei diesem Besuch geht es nicht um mich, es geht um Taiwan.“ Bei ihrem Stopp in Japan erklärte sie am Freitag, China könne Taiwan nicht isolieren, indem es westliche Staatsvertreter davon abhalte, dorthin zu reisen.
DER „BÖSE NACHBAR“ CHINA
Am Donnerstag, also einen Tag nach Pelosis Taiwan-Besuch, hatte China wie angedroht mit den Manövern begonnen – und dabei auch erstmals seit 1996 wieder Raketen in Gewässer vor der Insel abgefeuert. Über die taiwanische Hauptstadt Taipeh flogen bis zu vier Raketen hinweg, wie Japans Verteidigungsministerium mitteilte. Sie hätten sich aber in großer Höhe befunden und keine Bedrohung dargestellt, ergänzte Taiwans Verteidigungsministerium. Die selbstregierte Insel mobilisierte gleichwohl nach eigenen Angaben Flugzeuge und Schiffe sowie Raketenabwehrsysteme, um die Lage zu beobachten.
Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang äußerte sich nicht direkt zu dem Einsatz von Raketen, bezeichnete China aber als „bösen Nachbarn, der seine Macht vor unserer Tür demonstriert“. Präsidentin Tsai Ing-wen wiederum hat erklärt, Taiwan werde keine Konflikte provozieren, aber seine Souveränität und nationale Sicherheit entschieden verteidigen.
China verhängt Sanktionen gegen Pelosi und fährt US-Kontakte herunter
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