Peking, 05. Mrz – Chinas Führung steht personell vor dem Umbruch und setzt trotz der Abkehr von der strikten Corona-Politik auf ein moderates Wirtschaftswachstum. Wie der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang zum Auftakt der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses in Peking am Sonntag ankündigte, wird dieses Jahr ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund fünf Prozent angepeilt. Er verwies dabei auf zahlreiche Risiken für die Konjunktur. „Die Inflation ist weltweit nach wie vor hoch, das globale Wirtschafts- und Handelswachstum verliert an Schwung, und die Versuche von außen, China zu unterdrücken und einzudämmen, nehmen zu“, sagte Li zur Eröffnung der bis zum 13. März angesetzten Tagung des Parlaments, das als bloßes Akklamationsorgan gilt. Es gelte nun, den Binnenkonsum in China weiter anzukurbeln.
Der 67-jährige Li und eine Reihe eher reformorientierter politischer Funktionäre werden während der Tagung des Volkskongresses abtreten und Platz machen für loyale Gefolgsleute von Staats- und Partei-Chef Xi Jinping. Als ausgemachte Sache gilt, dass Li Qiang (63) zum neuen Ministerpräsidenten berufen wird. Der frühere KP-Parteichef von Shanghai soll die Wirtschaft auf Vordermann bringen. Xis Amtszeit als Präsident soll zugleich verlängert werden. Der 69-Jährige hatte seine Macht auf dem Kommunistischen Parteitag im Oktober als wichtigste Führungsfigur des Landes seit Mao Tse-tung auf Jahre hinaus zementiert. Er wurde für eine bislang beispiellose dritte Amtszeit von fünf Jahren an der Spitze der Kommunistischen Partei bestätigt.
Während des Volkskongresses wird das von Kritikern als Scheinparlament bezeichnete Legislativorgan zudem über einen jüngst von Xi angekündigten Plan für eine „intensive und weitreichende“ Reform staatlicher und KP-Einrichtungen beraten. Zudem steht eine neue Kabinettsaufstellung für die nächsten fünf Jahre an.
FÜHRUNG VERSCHÄTZTE SICH
Der Volkskongress findet in einer Zeit statt, in der die Volksrepublik nach der Abkehr von der strikten Coronapolitik konjunkturell wieder auf die Beine kommen möchte. Im vorigen Jahr hatte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt einen Durchhänger und wuchs mit drei Prozent so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Neben den staatlich verordneten strikten Corona-Lockdowns hielt auch die anhaltende Immobilienkrise die Konjunktur am Boden. Zugleich wurde das von der Führungsriege um Xi ausgegeben Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent klar verfehlt.
Frühindikatoren signalisierten zuletzt aber einen kräftigen Wachstumsschub in der Volksrepublik. Der Experte Alfredo Montufar-Helu vom Conference Board China Center geht davon aus, dass das nun gesetzte Wachstumsziel eher erreichbar sein wird als die Zielmarke im Vorjahr. Zugleich gestehe sich die Führung damit ein, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte „dieses Jahr erheblichem Gegenwind“ ausgesetzt sei.
Um das Wachstum anzukurbeln, plant die Regierung, an ihrem Plan für Infrastrukturausgaben festzuhalten und die Finanzierung für Großprojekte zu verstärken. Der scheidende Regierungschef gab zugleich das Ziel aus, dass China Wissenschaft und Technologie weiter stärken müsse, damit das Land auf diesen Gebieten auf eigenen Füßen stehen könne. Die Volksrepublik sieht sich wachsendem Druck der USA ausgesetzt, die aus Gründen der nationalen Sicherheit den Zugang zu chinesischen Halbleitern und Technologien für künstliche Intelligenz beschränken.
Dies konterkariert die Pläne von Präsident Xi China als globale Technologiemacht zu etablieren und das Land in Sachen Hightech autark zu machen. Vieles deute darauf hin, dass Autarkie schwierig zu erreichen sein werde, trotz eines „Gefühls der Dringlichkeit“, sagte Experte Montufar-Helu. Bereits 2015 habe die Führung das Zukunftskonzept „Made in China 2025“ propagiert, das einen Hightech-Entwicklungsschub für die Industrie bringen sollte. Das Zwischenziel, bis 2020 insgesamt 40 Prozent der in den heimischen Wertschöpfungsketten benötigten Mikrochips auch in China zu produzieren, sei aber klar verfehlt worden. Stattdessen habe man 2021 nur 16 Prozent erreicht: „Und dies trotz der Hunderte von Milliarden Yuan an Investitionen, die in den letzten Jahren in den Sektor geflossen sind“.
„WIEDERVEREINIGUNG“ MIT TAIWAN BLEIBT AUF AGENDA
Mehr Geld will China auch in seinen Wehretat investieren. Li kündigte vor den rund 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes eine Erhöhung der Militärausgaben um 7,2 Prozent an, nach einem veranschlagten Anstieg von 7,1 Prozent im vergangenen Jahr. Damit liegt der Wert erneut deutlich über dem Ziel beim BIP-Plus. Li rief zu einem Ausbau der Streitkräfte auf. Diese sollten sich verstärkt der Ausbildung unter Kampfbedingungen widmen und die Kampfbereitschaft erhöhen. In Bezug auf Taiwan schlug Li einen gemäßigten Ton an. China solle die friedliche Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße fördern und den Prozess einer „friedlichen Wiedervereinigung“ mit der Insel vorantreiben. Zugleich bekräftigte er aber auch, entschlossene Schritte gegen die Unabhängigkeit des Inselstaats zu unternehmen. China betrachtet Taiwan als Teil seines Territoriums.
China peilt moderates Wachstum an – Präsident Xi festigt Machtposition
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
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