Dienstag, November 19, 2024
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Gestern schüchtern – heute Bühnenprofi

Wie jeder es schaffen kann, seine Selbstunsicherheit zu überwinden und selbstsicher, souverän und überzeugend aufzutreten.

Selbstsicher, souverän auftreten und überzeugen – wer wünscht sich das nicht. Ob im Zweiergespräch (was auch eine Bühne ist), ob vor Kollegen oder Mitarbeitern, ob als Trainer und Coach oder auf einer großen Show-Bühne – wer souverän und sympathisch wirkt, dem hören andere Menschen gerne zu. Wer es schafft, die Herzen der Menschen zu erreichen, dem stehen alle Türen offen. Doch nicht jeder ist als Bühnentalent geboren – viele müssen sich das hart erarbeiten. Aber es ist schaffbar – für jeden.

Ein Spiegelbild und große Träume

Ich stehe vor dem Spiegel, drehe mich im Kreis und träume davon, ein großer Star zu sein. Ich bin fünf Jahre alt und fühle mich zur Bühne hingezogen. Sängerin oder Schauspielerin will ich werden. Doch die Erwachsenen sagen mir immer wieder, ich hätte kein Talent und solle mir diese Träume aus dem Kopf schlagen. Ich nehme ihre Worte als Wahrheit an und bin fest davon überzeugt, untalentiert zu sein.

Hinzu kommt meine Besonderheit. Mein Verhalten wird als „auffällig“ eingestuft: unwillkürliche Zuckungen, Grimassen, verdrehte Arme – keine guten Voraussetzungen für die Bühne. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass dieses Phänomen einen Namen hat: Tourette-Syndrom. Ende der 70er Jahre war dieses neurologische Phänomen kaum bekannt, und so blieb ich ohne Erklärung. Stattdessen wurde ich in eine Schublade gesteckt, die weder mir noch meinen Träumen gerecht wurde. Ich nahm diese Schublade an und wurde immer schüchterner und ängstlicher.

Mein beruflicher Weg führte mich in die Finanzbranche, weit weg von meinen Kindheitsträumen. Doch die Sehnsucht nach der Bühne blieb. Als Trainerin und Ausbilderin lebte ich sie ein Stück weit aus. Aber der Weg war hart. Immer wieder hörte ich: „Ja, es ist alles perfekt, aber irgendwas fehlt.“ 
Heute weiß ich, was gemeint war: Ich war gefangen im Perfektionismus – und dadurch verlor ich meine Wirkung.
Inzwischen stehe ich regelmäßig und leidenschaftlich gerne auf Bühnen – manchmal vor Hunderten von Menschen. Es ist nie zu spät, seinen Traum zu leben. Alles ist möglich, wenn man es wirklich will.
Übrigens: Eine Diagnose und damit Antworten darauf, warum ich so anders bin, bekam ich erst mit 29 Jahren.

Warum Perfektionismus deine Wirkung blockiert

Perfektionismus fühlt sich oft an wie ein sicherer Hafen. Wenn alles makellos ist, können doch keine Angriffe kommen, oder? Genau hier liegt die Herausforderung: Je mehr wir versuchen, perfekt zu sein, desto weniger wirken wir als Mensch. Perfektionismus wird zum Schutzschild. Doch er nimmt uns die Leichtigkeit, die es braucht, um auf andere authentisch und überzeugend zu wirken.
Die Krux dabei ist: Je mehr die Energie darauf verwendet wird, perfekt zu wirken und je mehr man dadurch mit sich selbst beschäftigt ist, desto weniger kann echter (Herzens-) Kontakt zum Publikum aufgebaut werden.

Fünf Tipps zur Überwindung von Unsicherheit und Schüchternheit

Ein erster wichtiger Schritt ist es, sich von der Perfektion zu lösen und in die eigene Echtheit zu kommen. Was so einfach klingt, ist für schüchterne und unsichere Menschen eine große Herausforderung. Aber es kann trainiert werden – Stück für Stück.
Manchmal ist der Weg etwas länger – so wie bei mir – doch er lohnt sich. Aus genau dieser Erfahrung heraus weiß ich, dass es jeder Mensch, der es wirklich möchte, Bühnenprofi werden kann – selbst, wenn die äußeren Rahmenbedingungen suboptimal erscheinen.

1. Die innere Haltung stärken

Gedanken beeinflussen die eigene Wirkung stark. Statt in selbstkritischen Gedanken zu versinken, hilft es, den Fokus auf Lernbereitschaft zu lenken: „Ich bin bereit zu lernen.“ Die innere Haltung entscheidet über Souveränität – auch bei Unsicherheit. Wenn der selbstkritische Anteil mal wieder allzu hoch ist, hilft es, bewusst für das zu danken, was da ist, auch wenn es noch so selbstverständlich erscheint. Beispiel: Den Füßen danken, dass sie einen tragen.

2. Schritt für Schritt mutiger werden

Mut entsteht durch kleine Schritte: Gespräche initiieren, vor dem Spiegel üben oder Improvisationstheater ausprobieren. Übungen wie das Nachfragen nach Rabatten im Geschäft oder das Wortergreifen in Meetings helfen, Selbstbewusstsein aufzubauen und Schüchternheit zu überwinden.

3. Atmung und Körpersprache bewusst einsetzen

Eine aufrechte Haltung und tiefe Atemzüge beruhigen und vermitteln Stärke. Bei Aufregung und Unsicherheit hilft es, bewusst in den Bauch zu atmen und dabei zu lächeln.

4. Fehler willkommen heißen

Fehler machen menschlich und sympathisch. Ein entspannter Umgang damit nimmt Druck und bringt Leichtigkeit. Die Haltung „Scheiter heiter“ aus dem Improvisationstheater hilft dabei, sich Fehler zu erlauben und sich sogar darüber zu freuen.

5. Lernen durch Training und Feedback

Regelmäßiges Üben und ehrliches Feedback helfen, blinde Flecken zu erkennen und die Wirkung zu verbessern. Gruppen wie Toastmasters oder Improvisationstheater bieten dafür ideale Übungsfelder.

Fazit
Selbstsicheres Auftreten ist selten ein angeborenes Talent, sondern das Ergebnis von innerer Arbeit, Mut und kontinuierlicher Übung. Der Weg aus der Unsicherheit heraus beginnt mit kleinen Schritten – Schritt für Schritt, Tag für Tag. Es ist nicht immer leicht, doch definitiv lohnend.

Bild: Daniela Landgraf Gestern schüchtern Heute Bühnenprofi

Autor

Daniela Landgraf ist Autorin von 20 Büchern, unter anderem von „Gestern schüchtern – heute Bühnenprofi“, sowie Buch-Mentorin, Keynote Speakerin und Moderatorin. Als Expertin für Selbstwert, mentale Stärke, Resilienz, Rhetorik und Wirkung unterstützt sie Menschen dabei, souveräner, selbstbewusster und selbstsicherer aufzutreten.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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