Frankfurt, 20. Jul (Reuters) – Widersprüchliche Signale zu künftigen Gaslieferungen Russlands lassen europäische Anleger ratlos zurück. Dax und EuroStoxx50 fielen am Mittwoch nach anfänglichen Gewinnen um jeweils etwa 0,2 Prozent auf 13.281,98 beziehungsweise 3582,74 Punkte. Der US-Standardwerteindex Dow Jones kam kaum vom Fleck.
Mut machte die Mitteilung des Netzwerkbetreibers Gascade, der zufolge für Donnerstag wieder Kapazitäten für die Durchleitung von Erdgas über die wichtige Pipeline „Nord Stream 1“ gebucht wurden, die in den vergangenen Tagen wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb war.
„Der Zeitpunkt, als Anleger nun den Sommer zu genießen und die Seele baumeln zu lassen, ist trotzdem nicht gekommen“, warnte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. „Erstens werden die russischen Gaslieferungen wahrscheinlich nur bei 40 Prozent der Gesamtkapazität wieder anlaufen und zweitens dürfte der russische Präsident Wladimir Putin diese weiterhin als politisches Druckmittel einsetzen, um seine Ziele in der Ukraine durchzusetzen.“
GASPREIS FÄLLT TROTZ HICKHACK UM „NORD STREAM 1“
In diesem Zusammenhang äußerte Putin Zweifel an der Einsatzbereitschaft einer unlängst in Kanada überholten Pumpe und brachte eine Abschaltung von „Nord Stream 1“ ins Gespräch. Die EU will mit einem Notfallplan auf eine mögliche Energiekrise reagieren, die Europa Experten zufolge in eine Rezession stürzen könnte.
Dennoch ging der Gaspreis erneut zurücik. Der europäische Future fiel um gut vier Prozent auf 155,50 Euro je Megawattstunde. Am Aktienmarkt ragte Uniper mit einem Kursplus von fast 13 Prozent heraus. Die Rettungspläne für den angeschlagenen Gas-Versorger nehmen Gestalt an. Der Bund will unter anderem 30 Prozent der Anteile übernehmen. Eine Lösung scheine greifbar, sagte ein Händler.
WIE STARK HEBT DIE EZB DIE ZINSEN AN? – WAS MACHT DRAGHI?
Gespannt warteten Börsianer zudem auf die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Insidern zufolge denken die Währungshüter inzwischen über eine Anhebung um einen halben statt einen Viertel Prozentpunkt nach. Im internationalen Vergleich erscheine solch ein Schritt aber nicht als drastisch, gab Dominic Bunning, Chef-Analyst für europäische Währungen bei der Bank HSBC, zu bedenken. So hätten auch die schwedische KroneS und der neuseeländische Dollar zu kämpfen gehabt, nachdem die jeweiligen Notenbanken die Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt hochgeschraubt hatten. Der Euro gab einen Teil seiner jüngsten Gewinne wieder ab und verlor 0,3 Prozent auf 1,0197 Dollar.
Zusätzlich erschwert wird die Entscheidung der EZB durch die Regierungskrise in Italien. Ministerpräsident Mario Draghi erklärte sich nach seinem abgelehnten Rücktrittsangebot zwar zum Verbleib im Amt bereit, pocht aber als Vertrauensbeweis auf eine Mehrheit bei einer für den Abend geplanten Abstimmung im italienischen Senat. „Dass Draghi bleiben will, macht dem Markt Mut“, sagte Chris Scicluna, leitender Analyst beim Brokerhaus Daiwa. „Aber er macht es den anderen Parteien nicht leicht.“
PROGNOSE-SENKUNG VON HELLOFRESH SCHMECKT ANLEGERN NICHT
Am Nachmittag rückte Hellofresh ins Rampenlicht. Der Kochbox-Anbieter strich seine Gesamtjahresziele zusammen. Die Prognose für das operative Ergebnis sei jedoch nicht so stark gesenkt worden wie von ihm befürchtet, kommentierte Analyst Sebastian Patulea von der Investmentbank Jefferies. Hellofresh-Aktien fielen dennoch um 9,4 Prozent.
An der Wall Street legten die Titel von Netflix dagegen gut vier Prozent zu. Der Streamingdienst verlor nur etwa halb so viele Nutzer wie befürchtet und stellte für das dritte Quartal die Rückkehr zu Kundenwachstum in Aussicht. „Wegen der hohen Markt-Durchdringung und des härteren Wettbewerbs wird der Anstieg der Nutzerzahlen aber schwieriger“, gab Analyst Neil Macker vom Research-Haus Morningstar zu bedenken.
Börsen brechen Erholung ab – Gas-Krimi zehrt an Nerven
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