Frankfurt, 20. Dez – Mit einem Paukenschlag hat die Bank of Japan die Anleger in Europa aus ihrer vorweihnachtlichen Stimmung gerissen. Nachdem die Investoren gerade erst die von der Fed und der EZB signalisierte Bereitschaft zu weiteren Zinsschritten im Kampf gegen die Inflation verdaut haben, verschärfte auch Japans Zentralbank am Dienstag überraschend ihre Zinspolitik. Die neu angefachten Zinssorgen ließen den Dax um bis zu 1,1 Prozent auf 13.792 Punkte abrutschen. Der EuroStoxx50 büßte in der Spitze 1,2 Prozent auf 3767 Zähler ein.
„Das ist ein Paukenschlag der japanischen Notenbank“, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. „Viel schneller als erwartet tritt die Bank of Japan dem Chor der restriktiven Notenbanken bei.“ Nach dem jüngsten zinsgetriebenen Ausverkauf hatte der Dax zum Wochenanfang zunächst wieder leicht zugelegt.
Japans Währungshüter beließen zwar das Renditeziel bei den zehnjährigen Staatsanleihen unverändert bei null Prozent. Sie lassen aber künftig eine stärkere Schwankungsbreite zu und ebnen damit den Weg für einen stärkeren Anstieg der Zinsen für lang laufende Staatsanleihen. Zugleich kündigten sie aber an, die Anleihekäufe deutlich zu erhöhen. „Vielleicht ist dies ein kleiner Schritt, um die Strategie zu testen und zu sehen, wie der Markt reagiert, und wie stark er reagiert“, sagte Bart Wakabayashi vom Finanzdienstleister State Street in Tokio.
FINANZMÄRKTE AUF FALSCHEM FUSS ERWISCHT
Für die Finanzmärkte kam der Schritt völlig überraschend. Marktteilnehmer hatten erwartet, dass die BoJ bis zum angekündigten Rücktritt von Notenbankchef Haruhiko Kuroda im April 2023 keine Änderungen an ihrer Steuerung der Zinskurven mehr vornehmen wird. Börsianer werteten die Maßnahme als Hinweis, dass auch in Japan eine Straffung der ultralockeren Geldpolitik anstehen könnte. „Auch in Japan gibt es ein Problem mit anziehenden Preisen, wenngleich nicht auf so hohem Niveau wie hierzulande“, konstatierte Jochen Stanzl, Analyst beim Online-Broker CMC Markets.
Die geldpolitische Entscheidung ließ den Yen auf ein Vier-Monats-Hoch gegenüber dem Dollar steigen. Im Gegenzug gab der Dollar um 3,5 Prozent auf 132,35 Yen nach. Der Dollar-Index fiel um 0,8 Prozent auf ein Sechs-Monats-Tief von 103,95 Punkte. Die Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen zogen auf ein Sieben-Jahres-Hoch an. Auch in der Euro-Zone flogen Anleihen aus den Depots. Im Gegenzug kletterte die Rendite der Bundesanleihe um bis zu zehn Basispunkte auf 2,299 Prozent an.
KOSTENSCHUB LÄSST NACH
Unterdessen mehrten sich die Signale für ein Abflauen der hohen Inflation. Die deutschen Hersteller senkten ihre Preise für gewerbliche Produkte im November bereits den zweiten Monat in Folge deutlich. Die Erzeugerpreise gaben wegen günstigerer Energie offiziellen Zahlen zufolge um durchschnittlich 3,9 Prozent zum Vormonat nach. Dies trug dazu bei, dass sich Anleger im Handelsverlauf wieder etwas versöhnt zeigten und sich die Kursverluste abbauten.
Bei den Unternehmen ließen vor allem zinssensible Immobilienaktien Federn. Der entsprechende europäische Branchenindex gab rund zwei Prozent nach. Der Sektor wurde auch durch die Herabstufung der Kursziele von Aroundtown und Derwent London durch die Analysten von Berenberg belastet, die die Kurse der beiden Konzerne absacken ließ.
Gefragt waren dagegen Bankaktien. Deutsche Bank führte mit einem Plus von knapp vier Prozent die Liste der Dax-Gewinner an. Im MDax ließ die Commerzbank mit einem Kursplus von rund sechs Prozent andere Werte hinter sich.
Bank of Japan schreckt Europas Anleger erneut auf
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Prota auf Pixabay
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