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Banges Warten am Flussufer in Cherson

Kiew, 04. Dez (Reuters) – In bitterer Kälte warten ukrainische Familien am Flussufer des Dnipro in Cherson. Ihre Blicke richten sich am Sonntag auf das gegenüberliegende, russisch kontrollierte Ostufer. Seit dem Rückzug der Russen vom Westufer markiert der Fluss die Frontlinie. Und trennt damit auch Familien voneinander. Ukrainische Militärbeamte haben am Samstag für drei Tage das Verbot des Grenzübertritts aufgehoben, um Evakuierungen aus den russisch besetzten Gebieten zu erleichtern. Im Rahmen der dreitägigen Amnestie dürfen Ukrainer, die in Dörfern auf der anderen Seite des Flusses leben, den Dnipro bei Tageslicht und bis zu einer bestimmten Stelle überqueren.

Die 40-jährige Olena wartet auf ihre zehnjährige Tochter. „Ich habe meine Tochter seit neun Monaten nicht mehr gesehen“, sagt sie besorgt. „Ich könnte sie abholen.“ Olena berichtet, sie sei nur wenige Tage vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar aus beruflichen Gründen nach Deutschland gereist. Seither habe sie ihre Tochter nicht mehr gesehen.

Doch als am zweiten Tag der Amnestie am Sonntag die Dunkelheit hereinbricht, hat es noch keinen einzigen Übertritt gegeben. Etwa 20 Menschen warten zusammen mit einer Gruppe von Soldaten und einem Krankenwagen am Flusshafen von Cherson in düsterer Stimmung. In der Nähe ist ständig Granatfeuer zu hören. Seit ihrem Rückzug vom Westufer haben die russischen Streitkräfte ihre Artillerieangriffe auf die Region Cherson verstärkt. Nach ukrainischen Angaben sind Dutzende von Menschen bei Angriffen in der Region ums Leben gekommen.

Wer die Amnestie zur Flussüberquerung in Anspruch nehmen will, die mit Einbruch der Dunkelheit am Montag endet, muss die ukrainische Staatsbürgerschaft nachweisen und ein eigenes Boot benutzen. Anastassija ist am Hafen, weil sie hoffte, den Fluss in die andere Richtung überqueren zu können, in das von Russland kontrollierte Gebiet, wo ihre Verwandten leben: „Gestern sah ich eine Nachricht über die Evakuierung, aber es stellte sich heraus, dass es keine Boote gab und ich selbst dorthin fahren musste. Wie konnte ich das tun? Was soll ich tun? Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagt Anastassija. „Ich habe Angst, dass ich hier alleine sterbe und niemand davon erfährt. Es ist beängstigend, sehr beängstigend.“ In ihrer Straße seien in den vergangenen Tagen Häuser durch russische Raketen zerstört worden. Die Situation sei am Westufer nicht besser, dort gebe es die Russen: „Aber ich sage, wenigstens sterben wir gemeinsam.“

Der 73-jährige Mykola sagt, seine Tochter sei zufällig am Ostufer gewesen, als Cherson durch die Ukrainer befreit worden sei. „Jetzt kann sie nicht mehr zurückkommen.“ Ihre Tochter und ihr Mann seien in Cherson: „Sie muss irgendwie zurückkommen.“

Banges Warten am Flussufer in Cherson

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Jørgen Deleuran auf Pixabay

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