„Noch nie hat es für einen Bärenmarkt so viel Werbung gegeben wie dieses Mal“, sagt Gaurav Chatley, Fondsmanager für europäische Unternehmensanleihen bei M&G
„Vor einem knappen Jahr fand ich bedenklich, wie weit die pessimistische Stimmung um sich gegriffen hatte. Die Strategen für Unternehmensanleihen sahen das Segment European Credit fast durchweg pessimistisch. Allerdings konnte ich ihren Schlussfolgerungen nicht wirklich widersprechen: Wir selbst waren über weite Strecken des Jahres 2021 pessimistisch für europäische Unternehmensanleihen gewesen.
Wir sind reine Value-Investoren. Deshalb hat unsere pessimistische Haltung nichts mit dem düsteren makroökonomischen Bild zu tun, das die Strategen zeichneten. Vielmehr beruhte sie ausschließlich auf den immer höheren Bewertungen, die wir bei europäischen Emittenten beobachteten. Zehn Monate später sind die Bewertungen wieder gesunken. Werden wir also jetzt angemessen für die Risiken europäischer Unternehmensanleihen entschädigt?
Die Credit Spreads bei Investment-Grade-Titeln (IG) in Euro sind binnen 12 Monaten um mehr als 100 Basispunkte gestiegen. Noch beobachten wir, dass die Mehrheit der Anleihestrategen pessimistisch bleibt. Selbst die wenigen „Bullen“ vom Ende letzten Jahres sind ins Lager der „Bären“ gewechselt. Aber aus meiner Perspektive kann ich nicht anders, als optimistischer nach vorne zu blicken als vor zehn Monaten. Der Grund dafür sind ganz einfach die Bewertungen. Das zeigt sich beispielsweise an den Spreads der europäischen IG-Titel in den letzten 20 Jahren
Angesichts dessen kann man eines mit Fug und Recht sagen: Die Märkte für Unternehmensanleihen beginnen einen Konjunkturabschwung einzupreisen – oder sogar eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit. Doch ist das derzeitige makroökonomische Risiko auch ausreichend eingepreist? Diese Frage führt uns unweigerlich zur ungenauen Wissenschaft der Prognosen, die schon vielen Anlegern zum Verhängnis geworden ist.
Die gesunden Unternehmensbilanzen, die guten Ersparnisse der Verbraucher, die niedrige Arbeitslosenquote: Beim Blick auf diese Kennzahlen könnte man denken, dass die kommende Rezession nicht sehr schwerwiegend ausfallen wird. Doch unsere Volkswirtschaften sind abhängiger von Fremdkapital und billigen, verfügbaren Krediten geworden.
Angesichts des drastischen Zinsanstiegs kann einen schon das Gefühl beschleichen, dass wir am Anfang vom Ende des „monetären Superzyklus“ stehen könnten, der mit der quantitativen Lockerung der US-Notenbank Fed im Jahr 2007 begann. Die Wahrheit ist: Niemand kann genau vorhersagen, ob es zu einer Rezession kommen wird – und wie schlimm diese möglicherweise ausfallen könnte.
Was also wissen wir tatsächlich? Die derzeitigen Bewertungen auf den Märkten für Unternehmensanleihen ähneln dem Szenario der Coronazeit im Jahr 2022. Damals ging man davon aus, dass erhebliche Teile der Weltwirtschaft vorübergehend zum Stillstand kommen. Aktuell liegen die Credit Spreads gar nicht weit von den damaligen Niveaus entfernt. Das deutet für mich auf einen guten Einstiegspunkt hin, um eine Position in europäischen Unternehmensanleihen aufzubauen.
Es kann aber durchaus auch zu einer sehr schweren Rezession kommen, was die Lage auf den Anleihemärkten deutlich verschlechtern könnte. Darum ist eines sehr wichtig: Man sollte in der Position sein weiter zukaufen können, wenn sich die Bewertungen verändern und sie eine solche Rezession einpreisen. Unter dem Strich könnte es also an der Zeit sein, in europäische IG-Unternehmensanleihen einzusteigen – solange man sich nicht absolut sicher über die makroökonomische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Kreditmärkte ist. Dabei sollte man genügend Pulver trocken halten, um bei weiter nachgebenden Bewertungen aufstocken zu können.“
Quelle Antenor Communication GmbH