Die Schlüsselfrage, die sich den Anlegern stellt, lautet: Ist das Schiff der festverzinslichen Anlagen bereits abgefahren? Kommentar von Ritu Vohora, Capital Markets Specialist bei T. Rowe Price:
Indien und Indonesien sind Lichtblicke
Nach einem Jahrzehnt extrem lockerer monetärer Bedingungen, welche die Renditen drückten und die Wirksamkeit von Anleihen zur Diversifizierung von Portfolios verringerten, scheinen die Argumente für festverzinsliche Anlagen wasserdicht zu sein. Steigende Zinssätze haben die Erträge, die sie bieten, in die Höhe getrieben, und die Renditen in vielen Sektoren sind auf Mehrjahreshochs. Schuldtitel unterhalb der Investment-Grade-Kategorie stellen für Anleger eine gute Möglichkeit dar, sich eine attraktive Rendite zu sichern, da die Renditen für globale und europäische hochverzinsliche Anleihen nahe den Höchstständen des letzten Jahrzehnts liegen. Die Geschichte zeigt, dass Anleger mit einem Zeithorizont von ein bis zwei Jahren vernünftigerweise zweistellige Renditen erwarten können, wenn sie auf dem aktuellen Niveau investieren.
Die steigenden Anleiherenditen stehen jedoch vor dem Hintergrund von Gewitterwolken, welche die wirtschaftliche Landschaft verdunkeln. Die Umfragen im verarbeitenden Gewerbe befinden sich weltweit in der Rezession, während der Dienstleistungssektor, einer der wenigen Lichtblicke in der Weltwirtschaft, an Schwung verliert, da die Bilanzen der Verbraucher die verzögerten Auswirkungen der aggressiven geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der großen Zentralbanken zu spüren bekommen. Selbst Chinas lang erwartete wirtschaftliche Erholung nach dem COVID 19 ist ins Stocken geraten.
Darüber hinaus begehen die Zentralbanken in ihrem Bestreben, die Inflation zu bekämpfen, politische Fehler, da die restriktive Geldpolitik ihre Volkswirtschaften in eine Rezession zu stürzen droht. Der Entzug von Liquidität aus dem globalen Finanzsystem, der zu Turbulenzen bei britischen Pensionsfonds und US-Regionalbanken geführt hat, könnte in der Zwischenzeit weitere wackelige Schuldenstrukturen und versteckte Hebelwirkungen in obskuren Ecken des Marktes zutage fördern.
Schwellenländer widerstandsfähiger
Auch wenn Sturmwolken heranziehen, werden nicht alle Boote sinken. Globale Hochzinsanleihen bieten angesichts der robusten Fundamentaldaten die Möglichkeit, in unruhigem Fahrwasser Wert zu schaffen. Die Bewertungen haben sich erheblich verbessert, die Kapitalstrukturen sind robust und die Qualität der Anlageklasse ist besser als in der Vergangenheit. Viele Unternehmen haben sich während der Pandemie refinanziert und sich kostengünstige Finanzierungen gesichert, so dass die Bilanzen gesund sind. Auch wenn die Ausfälle wahrscheinlich steigen werden, ist es unwahrscheinlich, dass wir ein Niveau wie während der Finanzkrise erreichen. Die Aktienauswahl wird entscheidend sein.
Auch Schwellenländeranleihen sind attraktiv, da sie neben attraktiven Renditen und günstigen Währungen einen Wachstumsaufschlag gegenüber den Industrieländern aufweisen. Viele Zentralbanken in diesen Ländern haben proaktiv auf Inflationsbedenken reagiert – die brasilianische Zentralbank erhöhte die Zinsen erstmals im März 2021, lange vor der Fed, und hob den Selic-Satz mehr als zehn Mal auf 13,75 % an. In der Tat sind einige von ihnen nun bereit, die Zinsen zu senken, während Zentralbanken in Industrieländern wie die Bank of England weitere Zinserhöhungen vornehmen müssen, um die hartnäckige Inflation zu bekämpfen.
Während die weltweit steigenden Kreditkosten einigen von Fremdwährungskrediten abhängigen Frontier-Volkswirtschaften schaden könnten, sind die Schwellenländer widerstandsfähiger als in der Vergangenheit – mit gesunden Bilanzen und starken fiskalischen Puffern. Indien und Indonesien sind Lichtblicke, da sie sich stärker an den geld- und finanzpolitischen Rahmen halten und gleichzeitig vom Binnenkonsum bzw. der Umstellung auf grüne Energie profitieren.
Keine Zinssenkungen in naher Zukunft
Eine aggressive Umschichtung in Anleihen könnte jedoch riskant sein, insbesondere angesichts der wechselnden Gezeiten beim Übergang von einer spätzyklischen wirtschaftlichen Expansion zu einem möglichen Rezessionsszenario. Die Renditekurven sind invertiert und eine zu frühe Verlängerung der Duration könnte teuer werden.
Während die Zentralbanken signalisiert haben, dass sie sich dem Ende eines der aggressivsten geldpolitischen Straffungszyklen der jüngeren Geschichte nähern, haben sie sich auch gegen die Markterwartungen von Zinssenkungen in naher Zukunft gestemmt, da sich die Arbeitsmärkte robust zeigen.
Sogar die äußerst restriktive Bank of Japan lockerte Ende Juli ihren Einfluss auf die Staatsanleihemärkte, indem sie eine breitere Handelsspanne bei der Steuerung der Renditekurve zuließ. Während die Märkte die Auswirkungen der jüngsten geldpolitischen Maßnahme verdauen, werden die japanischen Anleiherenditen wahrscheinlich steigen, da die Inflation weiterhin über dem Zielwert liegt.
Die Kosten für Investitionen in Anleihen, bei denen kurzfristige Gelder zur Finanzierung langer Anleihepositionen verwendet werden, bedeuten tägliche Renditeeinbußen, wobei Anleihen mit kürzerer Laufzeit höhere Renditen bieten als solche mit längerer Laufzeit.
Quelle der Diversifizierung
Unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher Abschwung eintritt oder nicht, werden Anleihen wieder zu einem wichtigen Diversifizierungsfaktor in den Portfolios. Für diejenigen, die das Aktienrisiko scheuen, sind Hochzinsanleihen im Vergleich zu Aktien günstig und haben eine kürzere Duration als Kernanleihen. Unser Asset-Allocation-Team hält eine Übergewichtung von Krediten – sowohl Hochzins- als auch Schwellenländeranleihen.
Wir sind der Ansicht, dass die Renditen von Anleihen mit längeren Laufzeiten weiterhin unter Druck stehen werden, da die Anleihemärkte versuchen werden, das erhöhte Emissionsvolumen vor dem Hintergrund einer strafferen Geldpolitik zu absorbieren. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der anhaltend höheren Zinsen das Wirtschaftswachstum belasten. Vor diesem Hintergrund befürworten wir eine Reduzierung der Duration und bevorzugen hochwertige Investment-Grade-Anleihen als Risikoabsicherung. Bargeld ist bei den derzeitigen Renditen das Nonplusultra und bietet Liquidität und trockenes Pulver, wenn sich Gelegenheiten ergeben.
Anleihen mit längeren Laufzeiten weiterhin unter Druck
Foto von Ritu Vohora (Quelle: T. Rowe Price)
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