Frankfurt, 21. Jan (Reuters) – Die Furcht vor einer Eskalation des Ukraine-Konflikts hat die europäischen Aktienanleger am Freitag verschreckt. „Die Spannungen nehmen zu und Experten erwarten eine Verschärfung der Krise durch Gewalt“, sagt Christian Henke vom Broker IG. „Kein Wunder, dass die Anleger dem Frankfurter Börsenparkett lieber fern bleiben.“ Auch die nahende Zinswende in den USA belastete den Markt. Der Dax fiel zeitweise um 1,6 Prozent auf 15.652 Zähler, der EuroStoxx50 gab bis zu 1,7 Prozent nach.
US-Außenminister Antony Blinken hatte zuletzt klargestellt, dass für die USA jeglicher Grenzübertritt seitens russischer Truppen in die Ukraine eine Aggression darstellen würde.
Ein solcher Vorfall würde eine „schnelle, ernsthafte und gemeinsame Antwort“ der westlichen Alliierten auslösen. Russland hat an der Grenze zur Ukraine rund 100.000 Soldaten zusammengezogen, weist den Vorwurf aber zurück, eine Invasion in die ehemalige Sowjet-Republik vorzubereiten. Am Freitag kamen Blinken und der russische Außenminister Sergej Lawrow zu Beratungen über die Krise zusammen. Der Moskauer Aktienindex RTS rutschte zeitweise um knapp vier Prozent ab.
BUNDESANLEIHEN ALS SICHERER HAFEN GEFRAGT
Angesichts der anhaltenden Spannungen griffen Investoren wieder zu Bundesanleihen. Die Kurse der gern als sicherer Hafen angesteuerten Titel stiegen, im Gegenzug fiel die Rendite mit minus 0,064 Prozent auf den tiefsten Stand seit einer Woche. Am Mittwoch war die Bund-Rendite erstmals seit fast drei Jahren über die Marke von null Prozent geklettert.
Aus Furcht vor einer raschen Abfolge von Zinserhöhungen der großen Notenbanken hatten Investoren Staatsanleihen in den vergangenen Wochen verstärkt aus ihren Depots geworfen. Anleger rechneten damit, dass die US-Notenbank die Zinsen bereits im März erhöhen könnte und damit früher als ursprünglich an den Finanzmärkten erwartet. EZB-Chefin Christine Lagarde betonte zuletzt, die Europäische Zentralbank müsse geldpolitisch nicht so aggressiv vorgehen wie es die Fed voraussichtlich tun werde. Der Euro notierte am Freitag 0,2 Prozent fester bei 1,1332 Dollar.
Am deutschen Aktienmarkt rückten zum Wochenschluss insbesondere Siemens Energy in den Fokus. Der Energietechnik-Konzern muss wegen anhaltender Probleme der spanischen Windkraft-Tochter Siemens Gamesa erneut Abstriche an den Prognosen machen. Die Aktien rauschten im Dax um bis zu 14 Prozent auf 19,74 Euro in die Tiefe und markierten damit den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Die Papiere von Siemens Gamesa brachen in Madrid um zwölf Prozent ein. Die Rivalen Nordex und Vestas mussten ebenfalls Federn lassen. Ihre Aktien büßten 6,5 beziehungsweise sechs Prozent ein.
NETFLIX-AUSBLICK TRÜBT BRANCHENSTIMMUNG
Einen schwarzen Börsentag erlebte auch Nordic Entertainment, nachdem der Streaming-Anbieter Netflix einen düsteren Ausblick auf das Neugeschäft gegeben hatte. Die Aktien des schwedischen Medien- und Unterhaltungsunternehmens fielen in der Spitze um rund acht Prozent. Netflix rechnet nur mit 2,5 Millionen Neukunden von Januar bis März, was weniger als die Hälfte dessen ist, was sich Analysten erhofft hatten. Die Citi-Analysten prognostizierten, der Ausblick werde Spekulationen schüren, ob der Markt für abonnierbare Video-Dienste zu schwächeln beginne. Die Netflix-Aktie sackte nachbörslich um fast ein Fünftel ab und büßte damit fast alle in der Coronapandemie angehäuften Gewinne ein.
Anleger machen um europäische Aktien großen Bogen
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