Paris/Berlin, 17. Mrz – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sein Prestigeprojekt Rentenreform quasi mit der Brechstange durchgedrückt. Die Machtdemonstration des Hausherren im Élysée-Palast zeigt jedoch, dass er im Parlament keinen ausreichenden Rückhalt für Reformprojekte dieser Art hat und auf einen Verfassungskniff zurückgreifen musste.
„Man kann es vielleicht als einen Pyrrhus-Sieg bezeichnen“, meint der stellvertretende Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg, Stefan Seidendorf. Es bleibe weiterhin eine große gesellschaftliche und politische Spaltung mit Oppositionsparteien, die wirklich zu allem bereit seien, warnte der Experte im SWR.
Die offensichtlich gegen den Willen großer Teile des Volkes durchgedrückte Reform bedeutet Wasser auf die Mühlen von Macrons rechtsextremer Widersacherin Marine Le Pen, die nun Morgenluft wittert. Doch Macron ist noch bis 2027 im Amt: „Er will auf alle Fälle keine lahme Ente sein“, so Seidendorf. Macron habe mit dieser Rentenreform sein politisches Schicksal verbunden.
Doch nun droht dem Präsidenten, der durchregiert, massiver Gegenwind: Im Parlament haben Abgeordnete der Opposition angekündigt, Misstrauensanträge einzureichen. Sie fordern den Rücktritt von Premierministerin Elisabeth Borne. Die Aussichten, dass sich die zersplitterte Opposition zum Sturz der Regierung verbünden könnte, stehen allerdings nicht gut.
PROTESTE UND STREIKS GEGEN REFORM
Doch auch außerhalb des Parlaments droht Macron Ungemach: Bereits kurz nach der Entscheidung, die äußerst unpopuläre Reform mit einem Verfassungsartikel am Parlament vorbei durchzusetzen, kam es zu spontanen Protesten in Paris. Autos wurden in der Hauptstadt und auch in weiteren französischen Städten angezündet. Laut Innenministerium wurden im Zusammenhang mit den Protesten mehr als 300 Menschen festgenommen.
Und die Gewerkschaften, die seit Monaten gegen die Anhebung des Renteneintrittsalters um zwei auf 64 Jahre Sturm laufen, wollen nicht lockerlassen. Sie riefen die Arbeiter auf, Streiks am Freitag auszuweiten. Am 23. März soll Frankreich mit einer neuen Streik- und Protestwelle gegen das Rentengesetz mobilisiert werden.
Im ganzen Land könnte die Reform, die ein Großteil der Franzosen ablehnt, zu einer neuen Protest-Welle führen. Das Projekt wird bereits seit Wochen mit Massenkundgebungen und Streiks bekämpft. Der Druck der Straße könnte für Macron zu einem Déjà-vu führen: Denn in seiner ersten Amtsperiode hatten die sogenannten Gelbwesten gegen die Regierungspolitik mobil gemacht: Dabei gingen die Menschen zunächst gegen Benzinpreiserhöhungen sowie hohe Lebenshaltungskosten und letztlich gegen Präsident Macron und dessen Wirtschaftspolitik auf die Straße.
Und Ende 2019 sah sich der Staatschef bei seinem ersten Versuch, die Rente zu reformieren, bereits mit massiven Protesten konfrontiert. Angesichts der aufgekommenen Pandemiewelle legte er die Pläne danach zunächst auf Eis. Davon will die Regierung dieses Mal nichts wissen: „Ich leugne die Schwierigkeiten nicht, mit denen wir konfrontiert sind, aber in einem Moment, in dem sich die Dinge bewegen, müssen wir Kurs halten“, betonte Arbeitsminister Olivier Dussopt.
Analyse: Durchgepeitschte Rentenreform – Nur „Pyrrhus-Sieg“ für Macron
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von salutfromparis auf Pixabay
Hier finden Sie die aktuellen Livestream-Folgen. Mehr aus Web3, NFT und Metaverse
Kennen Sie schon unser neues Wirtschaftsmagazin „Paul F„? Jetzt bei Readly lesen.