Frankfurt, 18. Jan – Der Rückzug von Wintershall Dea aus Russland macht den Weg für einen Börsengang des Öl- und Gaskonzerns nach Einschätzung von Investoren wieder frei. „So schmerzhaft die Abschreibung des Russlandgeschäfts ist, schafft sie doch bessere Perspektiven für die weitere Entwicklung des Konzerns“, sagte Cornelia Zimmermann, Spezialistin Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka Investment, der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Der Chemiekonzern BASF, der knapp 73 Prozent an dem Unternehmen hält, könne sich damit den Rechtsunsicherheiten und der massiven öffentlichen Kritik entziehen. „Außerdem erleichtert dieser Schritt den Börsengang von Wintershall Dea.“
Wintershall Dea hatte am Dienstagabend nach langem Zögern und Kritik das Aus für die Geschäfte in Russland angekündigt, auf die das Unternehmen lange baute und die zuletzt rund 50 Prozent der gesamten Produktion ausmachten. „Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht tragbar“, musste Vorstandschef Mario Mehren einräumen. Der Krieg habe die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört. Die Geschäfte in Russland seien de facto wirtschaftlich enteignet worden – Belastungen über 5,3 Milliarden Euro muss Wintershall Dea deshalb verdauen.
Das Unternehmen entstand 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea. Der Ludwigshafener Chemiekonzern hält noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. BASF wollte sich eigentlich aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen und Wintershall Dea an die Börse bringen. Doch schon mehrmals wurde dem Chemiekonzern dabei ein Strich durch die Rechnung gemacht und der Börsengang verschoben – sei es wegen eines schwachen Marktumfelds oder auch wegen eines Zwists mit LetterOne, der Investorengruppe des russischen Milliardärs Michail Fridman.
Im vergangenen Jahr machte dann der Krieg in der Ukraine die Pläne vorerst zunichte. Wegen der Beteiligungen von Wintershall Dea in Russland sei ein Börsengang „derzeit schwierig“, gestand BASF-Chef Martin Brudermüller auf der Hauptversammlung im April ein. Auch Investoren sahen keinen Weg aus der Sackgasse, zumal Wintershall Dea zunächst seine Beteiligungen in dem Land aufrecht erhalten wollte. „Bei einem Rückzug würden Milliardenwerte an den russischen Staat fallen“, hatte Vorstandschef Mario Mehren gewarnt. Einem Insider zufolge erwog BASF auch eine Übertragung der Russlandgeschäfte an LetterOne – der Miteigentümer winkte jedoch ab.
BASF – IPO BEI AKTUELLEN RAHMENBEDINGUNGEN KAUM REALISIERBAR
Zuletzt war auch Wintershall Dea weiter auf Distanz zu seinen russischen Geschäften gegangen und hatte Ende Oktober angekündigt, eine rechtliche Trennung zu prüfen. Nun ist der vollständige Rückzug „unter Einhaltung aller anwendbaren Gesetze und Bestimmungen“ geplant. BASF ist unterdessen weiter fest entschlossen, seine Anteile an dem Unternehmen zu veräußern und strebt unverändert einen Börsengang an, wie ein Sprecher bekräftigte. Seit Beginn des Krieges sei dieser unter den aktuellen Rahmenbedingungen aber kaum realisierbar. Letter One äußerte sich dazu nicht, erklärte aber, den Rückzug von Wintershall Dea aus Russland zu unterstützen.
Auch Fondsmanager Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den zehn größten Anteilseignern von BASF gehört, begrüßte den Schlussstrich unter dem Russlandgeschäft. „Niemand am Markt hat den russischen Aktivitäten noch einen Wert beigemessen“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Das übrige Geschäft von Wintershall Dea sei ein sehr gutes und mit dem Krieg noch attraktiver geworden, erklärte er mit Blick auf die Gasproduktion des Unternehmens in Europa. „Der Weg zum lange angestrebten Börsengang ist damit nun geebnet.“
Analyse: Aus für Russlandgeschäft ebnet Weg für Börsengang von Wintershall Dea
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Talpa auf Pixabay
Hier findet ihr die aktuellen Livestream-Folgen. Mehr aus Web3, NFT und Metaverse.