Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Präsident der ukrainischen AKW-Betreibergesellschaft Energoatom, Petro Kotin, hat vor einem technischen Desaster gewarnt, sollten am Atomkraftwerk Saporischschja Sprengsätze gezündet werden. „Wir müssen zunächst nicht mit einem nuklearen Desaster rechnen, sondern mit einem technischen Desaster, wie wir es gesehen haben, als sie den Kachowka-Staudamm gesprengt haben“, sagte Kotin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
Eine große nukleare Katastrophe zum derzeitigen Zeitpunkt hält er für ausgeschlossen, nicht aber eine nukleare Bedrohung. Es gebe, so der Energoatom-Präsident, auf der Anlage etwa 9.000 Brennelemente. „Sie könnten die kleinen Uran-Pellets einfach in der Umwelt verteilen oder sie mit einer Explosion verteilen, das würde zu radioaktiver Verseuchung führen.“ Da die sechs Blöcke der Anlage aber seit September vergangenen Jahres heruntergefahren seien, sei die Strahlungsgefahr durch die Brennelemente nicht mehr so groß. Sollten die russischen Streitkräfte tatsächlich eine große nukleare Katastrophe verursachen wollen, müsste die Anlage zunächst wieder hochgefahren werden, so Kotin. Die Lage in dem Atomkraftwerk verschlechtere sich gleichwohl seit dem Beginn der russischen Besatzung, sagte der Energoatom-Präsident. „Die Anlage ist eigentlich ein russisches Militärlager voller Waffen. Das Personal, das noch auf der Anlage ist, darf sich dort nur sehr limitiert bewegen.“
Während der vergangenen Tage seien aber nach seinen Informationen Truppen von der Anlage abgezogen worden. Auch Kollaborateure, also Mitarbeiter, die Verträge mit dem russischen Konzern Rosatom unterschrieben haben, hätten die Anlage verlassen. Zudem gingen die Besatzer unprofessionell mit dem Kraftwerk um, kritisierte Kotin. Ein Reaktor sei im sogenannten heißen Standby.
„Damit produzieren sie Dampf für irgendwelche technischen Gründe. Dafür ist eine solche Anlage aber nicht gemacht. Das wäre so, als würden Sie ihren Computer benutzen, Nüsse zu knacken. Das ist verrückt“, so Kotin.
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