Sonntag, Dezember 22, 2024
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Aktienmarkt: Optimismus erhöht Risiko für Enttäuschungen

Die Berichtssaison neigt sich dem Ende zu und war durchaus erfreulich – zumindest oberflächlich betrachtet: So sind die Gewinne der „Magnificent Seven“ im vergangenen Jahr um 60 Prozent gestiegen. NVIDIA konnte seine Gewinne sogar verfünffachen. Beim genaueren Hinschauen ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild: Nimmt man die „Magnificent Seven“ heraus, ist bei den Gewinnen des S&P 500 im 4. Quartal ein Rückgang um zwei Prozent zu beobachten, die Gewinne europäischer Aktien sinken sogar um elf Prozent. Für Joseph V. Amato, Präsident und CIO bei Neuberger Berman schafft der aktuelle Optimismus an den Börsen vor allem eines: Raum für Enttäuschungen, die Investoren später empfindlich treffen könnten. Wo für Investoren Chancen liegen, erklärt er in seinem Marktkommentar.

Noch ist die Stimmung an den Märkten gut. Doch die aktuelle globale Wirtschaftslage bietet durchaus Raum für Pessimismus: Wenn die Inflation und die Zinsen nicht wie erwartet fallen, werden Haushalte mit mittleren Einkommen Ihre Ausgaben reduzieren müssen; steigende Arbeits- und Kreditkosten könnten es in Folge für Unternehmen schwer machen, ihre aktuellen Margen zu halten. Wenn sie deshalb Stellen abbauen, könnte sich dies wiederum negativ auf das Konsumklima auswirken und am Ende droht eine harte Landung.

Gefährliches Goldilocks-Szenario
Aktuell ist in den USA die Arbeitslosigkeit noch immer sehr niedrig. Es werden viele neue Stellen geschaffen und im 4. Quartal 2023 ist das amerikanische BIP annualisiert um bemerkenswerte 3,3 Prozent gestiegen. Nach dem GDPNow-Modell der Atlanta Fed beträgt das Wachstum im 1. Quartal 2024 noch immer 2,9 Prozent – ein ordentlicher Wert, aber doch deutlich weniger als die 4,2 Prozent von vor einigen Wochen. Mittelfristig sinkende Inflation und Leitzinsen könnten die Wirtschaft auf Dauer stützen.

Doch genau dieses Goldilocks-Szenario mit fallender Inflation, niedriger Arbeitslosigkeit und stabilem Wachstum könnte aus unserer Sicht eine gewisse Enttäuschung bereithalten. China, Deutschland, Japan und Großbritannien sind nur einige große Volkswirtschaften, die sich bereits in einer Rezession befinden oder zumindest stagnieren. Für eine genauere Analyse lohnt sich ein Blick auf die Unternehmen selbst, denn zwar sind Konjunkturanalysen faszinierend, aber am unterm Strich kommt es auf die Unternehmensgewinne an.

Erfreuliche Quartalsbilanzen in Q4
Was also können wir aus den aktuellen Quartalszahlen lernen? Vorletzte Woche stand NVIDIA im Blickpunkt – und konnte brillieren: mit einem Plus von fast 500 Prozent bei den Gewinnen und 265 Prozent beim Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. Die Erwartungen für das laufende Quartal liegen deutlich über den bisherigen Analystenschätzungen. CEO Jensen Huang sprach von einem „Kipppunkt“ bei der Chipnachfrage durch Künstliche Intelligenz. Auch wir sehen die Halbleiterbranche am Beginn eines neuen Zyklus.

NVIDIA war aber nicht die einzige Erfolgsgeschichte der laufenden Berichtssaison. So haben mehr S&P-500-Unternehmen die Analystenschätzungen übertroffen als in den vier Quartalen zuvor. Für die S&P-500-Unternehmen wird nun ein Gewinnanstieg von etwa sieben Prozent zum Vorjahr erwartet.

Übertriebener Optimismus am Aktienmarkt?
Werte, die also durchaus optimistisch stimmen könnten. Leider sind sie jedoch nicht repräsentativ und aufgrund der starken Performance der Tech-Branche deutlich ins Positive verzerrt. Mit NVIDIA an der Spitze sind die Gewinne der „Magnificent Seven“ um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Gewinne der übrigen S&P-500-Unternehmen sind im gleichen Zeitraum um 2 Prozent gefallen. Das könnte für den Gesamtmarkt zum Problem werden, wenn die „Magnificent Seven“ ihr Wachstumstempo nicht mehr halten können. Analysten rechnen damit, dass das Wachstum sich spätestens im 3. Quartal deutlich abkühlen könnte – einige sehen zum Jahresende sogar eine Trendwende.

Kommt es so, würde das den Gesamtindex deutlich korrigieren. Mit 243 US-Dollar je Aktie liegt die Konsensschätzung zwar noch immer um 10 Prozent über den Ergebnissen von 2023, aber selbst dieser eher verhaltene Ausblick scheint vor diesem Hintergrund hoch angesetzt. Das schwächere nominale Wirtschaftswachstum – voraussichtlich 2 Prozent real und etwa 3 Prozent Inflation – erfordert deutlich höhere Margen, damit sich diese Erwartungen erfüllen. Damit amerikanische Aktien weiter so stark zulegen können, müssten eben nicht nur die Gewinne der „Magnificent Seven“, sondern aller Aktien steigen.

Wo liegen Chancen für Investoren?
Bei der Analyse der Quartalszahlen ist auffällig, dass Aktien von Unternehmen, die die Umsatz- und Gewinnerwartungen der Analysten übertroffen haben, den S&P 500 Index in einem Maße outperformen, das dem historischen Durchschnitt entspricht. Wer die Erwartungen hingegen nicht erfüllte, wurde meist erstaunlich stark abgestraft. Das deutet auf großen Optimismus im Markt hin, der immer das Risiko birgt, in Enttäuschung zu enden. Wer bei amerikanischen Large Caps vorsichtig ist, aber doch in Aktien investieren möchte, könnte bei den schwächeren Aktien des Vorjahres interessante Titel finden.

Der schwächste Markt innerhalb der Industrieländer war Europa. Hier sind die Aktien recht günstig, und das aus gutem Grund: Immerhin sind die Gewinne europäischer Aktien im 4. Quartal um ganze 11 Prozent gefallen – für 2024 erwarten die Analysten einen weiteren Rückgang. Attraktiver erscheint Japan. Jetzt hat der Nikkei nach einem hervorragenden Jahresbeginn endlich sein Allzeithoch von 1989 überschritten. Japan mag sich in der Rezession befinden, aber im 4. Quartal sind die Unternehmensgewinne bis jetzt auf Jahresbasis um 42 Prozent gestiegen. Ein solches Wachstum kennt man sonst nur von den „Magnificent Seven“, und das bei einem niedrigeren Ausgangsniveau. Die Zahlen scheinen daher nachhaltiger und all das zu einem KGV etwa in Höhe des 15-Fachen der erwarteten Gewinne. Außerdem rechnen die Analysten in Japan 2024 mit mehr Wachstum als in den USA.

Konjunkturell kann sich in nächster Zeit noch viel tun und die Risiken sind nicht zu übersehen. Die stabile US-Wirtschaft, die geringere Inflation und der absehbare Rückgang der kurzfristigen Zinsen sind gute langfristige Argumente für Aktien. Wer nach Einzelwerten sucht und dabei Unternehmen findet, die einen attraktiven Gewinnausblick aufweisen, kann Portfolios zusammenstellen, die fast jeder denkbaren Konjunkturentwicklung etwas entgegensetzen können.

Bild:oseph V. Amato, Präsident und CIO bei Neuberger Berman

Quelle:Strategic Public Relations GmbH

 

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