Künstliche Intelligenz wird heiß diskutiert. Die Einen fordern eine KI-Pause, um Gefahren und Auswirkungen erstmal einschätzen zu können, die anderen erkennen darin eine Zukunftstechnologie und setzen auf den Trend.
In welchen Branchen gibt es das größte Wachstumspotenzial und können Investoren jetzt überhaupt guten Gewissens in KI investieren?
Der Markt für künstliche Intelligenz wächst jedes Jahr um schätzungsweise 25 Prozent und soll bis 2025 eine Summe von rund 130 Milliarden Dollar erreichen. Trotz Teuerung in Europa, dem Fachkräftemangel und den damit verbundenen Budgetkürzungen investieren internationale Tech-Konzerne wie Apple und Microsoft zurzeit immense Summen in die Industrie 4.0. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben sogar seit einigen Jahren einen Staatsminister für künstliche Intelligenz, doch weltweit dominieren die USA und China den Markt. Experten in Deutschland bemängeln demnach eine hohe Abhängigkeit und befürchten, Deutschland könnte den technologischen Fortschritt verpassen.
Wachstum in Milliardenhöhe erwartet
Im letzten Jahr erfuhr der Markt für KI ein enormes Wachstum, vor allem im Bereich des Deep-Learning, wie die Audio-, Video- oder Texterkennung. Auch im Segment des maschinellen Lernens wird derzeit viel weiterentwickelt und investiert, wenn es um Aspekte wie Clustering, Visualisierung und Filterung geht. Dabei entfällt der größte Marktanteil auf KI-gestützte Software. Die Investitionen in die Forschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz beliefen sich 2019 noch auf knapp 37,5 Milliarden Dollar, 2022 waren es schon 118 Milliarden und bis 2026 sollen es 300 Milliarden Dollar werden. Vor allem Nordamerika dominiert derzeit den KI-Markt, hier sind Cloud Computing und IoT (Internet of Things) hoch im Kurs. Doch auch in Schwellenländern wie China und Indien steigt die Nachfrage nach solchen Lösungen, weswegen Experten erwarten, dass zukünftig der asiatisch-pazifische Raum sogar die höchste Wachstumsrate aufweisen wird.
In diesen Branchen kommt KI zum Einsatz
Vor allem in der Autoindustrie, im Zuge des autonomen Fahrens, wurde künstliche Intelligenz bereits früh zum Thema. Doch in vielen Branchen wird sie auch herangezogen, um Vorhersagen treffen zu können: Etwa für Prognosen im Straßenverkehr oder im Bereich der Cybersecurity, wenn es um Bedrohungsanalysen geht. Auch in der Finanzbranche soll durch KI die Betrugserkennung erhöht werden, hier ist aber besonders der Handel durch Algorithmen spannend. So soll der Markt für KI im Finanzsektor bis 2025 einen Wert von 26 Milliarden Dollar erreichen. Immer häufiger kommt künstliche Intelligenz außerdem im E-Commerce zum Einsatz: Hier wird ein Marktvolumen von 45 Milliarden Dollar bis Ende des Jahres erwartet, Software für Produktempfehlungen und das Lieferkettenmanagement zählen dabei zu den häufigsten Anwendungsbereichen. Hinzukommen Chat-Bots, die das Kundenerlebnis personalisieren und Kundenanfragen beantworten sollen.
KI im Gesundheitswesen hoch im Kurs
Häufig werden KI-Geräte in der Gesundheitsbranche herangezogen, mit dem Ziel, Patientenergebnisse zu verbessern und Kosten zu senken. Wie groß das Potenzial ist, zeigt eine McKinsey Untersuchung aus 2017: Bis zu 700.000 Anträge auf Kostenrückerstattung bekam laut damaliger Datenlage eine mittelgroße deutsche Versicherung jedes Jahr von Krankenhäusern übermittelt. Dabei ist der Versicherer dazu verpflichtet, diese Rechnungen zu prüfen – dafür bedarf es nicht nur mehrere hunderte Mitarbeiter, auch erweist sich fast jede zehnte Abrechnung als fehlerhaft. Der Einsatz von KI kann hier nicht nur Personal entlasten, sondern auch die Erfolgsquote verbessern. Denn die Prüfalgorithmen identifizieren die tatsächlich fehlerhaften Rechnungen und weisen beispielsweise nur Anträge mit hoher Erfolgsaussicht für die Kasse zur menschlichen Bearbeitung aus. Aber auch Anwendungsbereiche wie die Roboterchirurgie oder virtuelle Pflegeassistenten sollte man nicht vergessen. Der Markt für künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen soll bis 2025 eine Summe von 34 Milliarden Dollar erreichen.
Investoren in einem moralischen Dilemma
Zwar sind die Anwendungsmöglichkeiten von KI enorm vielfältig und wirken auch vielversprechend, doch gleichzeitig werden die warnenden Stimmen immer lauter. Die Forderung nach einer Entwicklungspause klingt jedoch wohl dramatischer, als sie tatsächlich ist, denn die Aussetzung soll sich lediglich auf eine Untergruppe beziehen – nämlich auf den Bereich der generativen künstlichen Intelligenz wie die Bild- und Texterstellung.
Eine Software zur Datenverarbeitung von Lagerbeständen wäre beispielsweise von dem Stopp wohl nicht betroffen. Investoren sehen sich dennoch im Zwiespalt, einerseits wächst der Markt enorm schnell und lockt Milliarden von Dollar an Risikokapital, privaten Aktien und Unternehmensinvestitionen an. Andererseits sind die Technologien noch lange nicht perfekt und stoßen oft an ihre Grenzen. Demnach müssen Investoren ihren Wunsch nach Profit und Innovation mit ihrer Verantwortung abwägen, welche ethischen, sozialen und rechtlichen Auswirkungen auftreten könnten.
Es ist wichtig, dass Unternehmen, Forscher und Regierungen künftig zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Entwicklung und Anwendung von KI von ethischen Grundsätzen geleitet wird und dass geeignete Sicherheitsmaßnahmen vorhanden sind, um Missbrauch zu vermeiden. Nur dann kann wohl guten Gewissens in künstliche Intelligenz investiert werden.
Bildquelle Fullstop PR GmbH
Autor:
Shanna Strauss-Frank ist Deputy Sales Director bei der Investmentgesellschaft Freedom Finance Europe, dem einzige EU-basierte Investmentbroker dessen Holding am NASDAQ gelistet wird.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder